Der Lobbyist der Woche: Angriff auf das Oligopol
In den nuller Jahren lösten sie mit Bestnoten für Wertbündel mit toxischen US-Immobilienkrediten die Finanzkrise mit aus, Anfang der zehner Jahre verschärften sie mit fiesen Ramschratings für Staatsanleihen von Italien, Spanien oder Griechenland die Eurokrise.
Umso begrüßenswerter ist die Initiative von Torsten Hinrichs (Foto), das Oligopol der Desasterverschärfer Standard & Poor’s (S&P), Moody’s und Fitch zu brechen. 2014 wurde der langjährige Deutschlandchef von S&P Chef von Scope. Am Donnerstag gelang der Berliner Ratingagentur ein viel beachteter Schritt auf dem Weg, eine europäisches Gegengewicht zu den US-Ratingabenturen zu schaffen: Die Hinrichs-Truppe mit 110 Mitarbeitern und Filialen in ganz Europa gewann erstmals einen DAX-Konzern als Kunden: Der Industriegasekonzern Linde erhielt ein freundliches A+ für seine Kreditwürdigkeit, weitere DAX-Größen sollen folgen.
Ratings sind Risikoeinschätzungen und deshalb grundlegend für die Höhe der Zinsen, die Geld Suchende zahlen müssen. Deshalb ist die Macht der drei Großen, die 90 Prozent des globalen Markts für Konzerne und Staaten abdecken, immens. Dass sie ihr Oligopol missbrauchen, nervt nicht nur den deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble. Auch hiesige Konzerne verfassten wegen der horrenden Ratingpreise schon einige Brandbriefe. Hinrichs wird es nicht leicht haben: An einer Ratingalternative versuchte sich vor ihm schon der Beraterguru Roland Berger – vergeblich. Das Problem: Hinrichs Agentur hat zwar eine europäische Sicht auf die Dinge, bewertet aber auch nicht, wie nachhaltig eine Firma arbeitet. Deshalb gibt es im taz-Rating nur ein mittelprächtiges BB–. Bei Moody’s hieße das: Spekulative Anlage, möglicherweise ist mit Ausfällen zu rechnen Kai Schöneberg
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