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Der Libanon im israelisch-syrischen Zangengriff

■ Am Tag vor Unterzeichnung eines syrisch-libanesischen „Brüderlichkeits“-Abkommens erneut israelischer Angriff im Libanon

Tel Aviv/Beirut (taz/dpa) — Israelische Panzer drangen am Dienstag in den Südlibanon ein. Gleichzeitig nahm die israelische Armee schiitische Dörfer im Südlibanon unter Artilleriefeuer. Israelische Einheiten sollen auch im Osten der von Israel beanspruchten „Sicherheitszone“ an einer Verbindungsstraße nach Syrien Stellung bezogen haben. Politische Beobachter stellten einen Zusammenhang zwischen den Angriffen und dem heute von Libanon und Syrien unterzeichneten „Vertrag der Brüderlichkeit, Freundschaft und Zusammenarbeit“ her. Das seit dem vorläufigen Ende der Baker-Reise ohnehin angespannte israelisch-syrische Verhältnis verschlechtert sich damit weiter. Auch die Gründung einer neuen Siedlung auf den Golan- Höhen trägt dazu bei.

Das libanesisch-syrische Abkommen stieß in Israel auf heftige Kritik. Der israelische Verteidigungsminister Arens sprach von „syrischer Annexion des Libanon“, die mit der irakischen Invasion Kuwaits vergleichbar sei. „Während die ganze Welt mit der Golfkrise beschäftig war, hat sich Syrien auf den Anschluß Libanons konzentriert.“ Israel müsse auf alle Eventualitäten vorbereitet sein, sagte Arens. Letzte Woche bombardierten israelische Flugzeuge bereits ein Camp der Amal-Miliz bei Tyrus und töteten dabei zwei Kommandanten der palästinensischen „Demokratischen Befreiungsfront“ und drei Amal-Milizionäre.

Ex-Verteidigungsminister Rabin erklärte gestern gegenüber der 'Jerusalem Post‘, nur der Golfkrieg habe es Syrien ermöglicht, den Libanon zu einzunehmen. Dies sei „das einzige Element der ‘Neuen Ordnung‘, von der jetzt in Washington soviel die Rede“ sei. Israel behalte es sich vor, militärisch einzugreifen, falls Syrien das „De-facto-Abkommen“ mit Israel mißachte. Diese inoffizielle Vereinbarung wurde 1985 mit Hilfe der USA erzielt, als Israel die meisten seiner 1982 in den Libanon einmarschierten Truppen abzog. Dieses „Abkommen“ zwischen den offiziell im Kriegszustand befindlichen Staaten soll laut israelischen Quellen vermeiden, daß syrische Truppen an der israelisch-libanesischen Grenze aufmarschieren und daß Syrien auf libanesischem Gebiet Luftabwehrraketen installiert. Israel besteht auf einem „freien Himmel“ für seine Militärflugzeuge über dem Libanon. Nach dem Abkommen sollen keine syrischen Kampfflugzeuge über dem Libanon operieren und keine Ziele im Libanon angreifen. Der Status quo in der von Israel beanspruchten „Sicherheitszone“ im Südlibanon muß aufrechterhalten werden, und die von Israel unterstützte „Südlibanesische Armee“ bleibt in der nördlich der „Sicherheitszone“ gelegenen Jezzin-Enklave. Dieses „Abkommen“ wurde von Syrien bisher akzeptiert.

Am Montag erklärte der Kommandant der von Israel bezahlten „Südlibanesischen Armee“, General Lahad, der neue syrisch-libanesische Pakt werde den Rückzug der israelischen Truppen aus dem Südlibanon „blockieren“, das Abkommen zwischen Syrien und dem Libanon sei eine „Katastrophe, die Libanon schließlich liquidieren wird“. Oppositionskreise in Israel weisen aber darauf hin, daß die israelische Nordgrenze sicherer wäre, wenn der Libanon ganz unter syrischer Kontrolle stünde. Andererseits ermöglicht es das syrisch-libanesische Abkommen den syrischen Truppen, im Kriegsfall Israel vom Libanon aus anzugreifen. Die Front gegen Israel wäre verlängert. Wahrscheinlich wird Israel zusätzlich zu dem „De-facto-Abkommen“ und diversen über Washington vermittelten syrischen Garantien hinaus weitere Bedingungen stellen: etwa die gänzliche Abwesenheit syrischer Truppen im Südlibanon. Amos Wollin

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