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Der Künstler Axel LoytvedSkurrile Techniken

Axel Loytved macht aus Schneeklumpen Plastiken von zufälliger Gestalt. Außerdem hat er den unkonventionellen Kunstverein St. Pauli mitgegründet.

Mag den Zufall: Der Hamburger Künstler Axel Loytved. Bild: Andreas Bormann

BRAUNSCHWEIG taz | Wer kennt das nicht: Man vergisst ein Tempo in der Hosentasche und findet nach der Maschinenwäsche einen amorphen Klumpen vor. Vielleicht Ekel, vielleicht auch Faszination ob des formalen Zufallsergebnisses kommen dazu. Hier setzt der Hamburger Künstler Axel Loytved an, er überführt derartige Funde in „Hosentaschenobjekte“, abgegossen in Bronze beispielsweise.

Gibt es hierfür über den bizarren Humor hinaus eine theoretische Basis? Axel Loytved, 30, kommt locker zum Gespräch in seine aktuelle Ausstellung im Braunschweiger Kunstverein. Sofort wird klar: Mit akademischen Kategorien kommt man bei Loytved nicht weiter. Seine umfängliche Kunstproduktion lässt sich auch nicht auf die Umdeutungsstrategien der Hosentaschenobjekte reduzieren.

Der in Bad Mergentheim geborene Loytved ist auf dem Dorf aufgewachsen, genauer: in Waldmannshofen im nordöstlichen Zipfel Baden-Württembergs. „Die Dorfzeit war wichtig, man musste alles selber veranstalten“, sagt Loytved dazu. Das setzte sich später in Braunschweig fort, auch an der Kunsthochschule sei man auf produktive Weise auf sich selbst zurückgeworfen gewesen. Hier hat Loytved bei Nicola Torke und Raimund Kummer Bildhauerei studiert und das Studium 2010 abgeschlossen.

Im Jahr 2009 gab es noch einen Exkurs zu Christoph Schlingensief, der an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig als Professor die undefinierbare Disziplin „Kunst in Aktion“ lehrte. „Der war aber nie in Braunschweig“, sagt Loytved, „er holte stattdessen seine Studenten in seine Produktionen. Man war für ein paar Wochen billige Hilfskraft, ist andererseits aber auch hautnah überall dabei gewesen: im Wiener Burgtheater, in Werkstätten, bei jeder Besprechung. Man sah, mit welchem Einsatz Schlingensiefs Inszenierungen entstanden.“

Das "Reeperbahn-Stipendium"

Damals hatte Loytved aber schon seine ganz eigene Form der Aktionskunst gefunden. 2006, noch während des Studiums, zog er nämlich nach Hamburg auf die Reeperbahn und gründete mit Gleichgesinnten den Kunstverein St. Pauli. Dieses WG-Projekt unterlief alle gutbürgerlichen Vorstellungen von einem Kunstverein. Sofort wurde das „Reeperbahn-Stipendium“ vergeben: Bett und Kaffeemaschine für maximal zwei Wochen, als Gegenleistung eine Ausstellung.

Drei Jahre hielt man so durch, schaffte rund 30 Veranstaltungen mit Freunden aus Braunschweig und Hamburg. Das bescherte Förderungen wie die von der Stiftung Kunstfonds aus Bonn.

Seit 2010 ist die Künstlertruppe nun in wechselnder Besetzung mit einem außen wie innen schwarz lackierten Überseecontainer mit Totenkopfemblem unterwegs. Der Container dient dazu, Arbeiten zu transportieren, die andernorts ausgepackt und gezeigt werden. Parallel zu diesen Ausstellungen werden im Container Künstlerpublikationen präsentiert. Außerdem wird eine integrierte Bar als Kino, Bühne und Veranstaltungsraum genutzt.

Projekt mit langer Lebensdauer

In den vergangenen zwölf Monaten wurden so vier Kunstvereine besucht: Langenhagen, Leipzig, Heidelberg und Gartow im Wendland. Dabei erweiterten ortsspezifische Arbeiten und Gastkünstler das Spektrum. Ein Abstecher zum Essener Festival Emscherkunst wird im August die letzte Station dieses Jahres sein. „Und danach gibt es eine Ruhepause. Unsere Gruppe übertrifft ohnehin schon die Lebensdauer derartiger Projekte“, so Loytved.

Daneben verfolgt Axel Loytved seine individuellen ästhetischen Experimente. Wie beispielsweise für seine aktuelle Ausstellung im Braunschweiger Kunstverein. Vierzehn dunkle Brocken liegen dort auf dem Fußboden. Es handelt sich um Abgüsse von Schneeklumpen, wie sie sich bei entsprechender Witterung in den Radkästen der Autos bilden, unter der Karosserie als schmutzige Massen herauswuchern und, irgendwann vielleicht, auf der Straße landen.

Diese temperatursensiblen Gebilde habe er lange wahrgenommen, sagt Loytved, wusste aber nicht, wie er sie in stabile Körper übersetzen könnte. Also kaufte er erst einmal im Secondhand-Laden eine Tiefkühltruhe und lagerte seine Funde ein.

Schnee und Gips

Der Ausstellungsetat des Braunschweiger Kunstvereins gestattete ihm dann seine Versuche. Gips ist das einzige Abformmaterial, das auch bei Minusgraden funktioniert, entwickelt beim Abbinden allerdings Wärme. Die Schneeklumpen schmolzen also weg, was den Abformprozess nicht eben einfacher machte und eine zweite Gipsschicht erforderte.

Die Bronzemasse, die anschließend die Hohlformen füllte, musste nach dem Erhärten geborgen werden, indem die Gipsformen zerstört wurden. Sie waren also ebenso flüchtiges Element in einem komplizierten Transformationsprozess wie die verschwundenen Ausgangsformen selbst.

Begleitend hängt Loytved drei kreisrunde Flächen an die Wände des Kunstvereins. Er fand die üppig marmorierten Tischplatten geschmacksverwirrter Wohnidyllen für wenig Geld beim Trödler und war sofort fasziniert von ihrer geradezu psychedelischen Wirkung. Nun hängen sie wie Tondi, diese ehrwürdigen Rundbilder der Renaissancemalerei, an der Wand.

In diesem Fall ist die Umdeutung auf eine schiere Präsentationsgeste reduziert, die Erwartung, dass etwas Weiteres mit dem Material passiert wäre, wird ja eben nicht erfüllt.

„Ich hab ein Spezialistentum für skurrile Techniken entwickelt, sie stehen aber nie im Mittelpunkt“, sagt Loytved. Die drei Platten zeigen, wie simpel die Werteverschiebung im Kunstkontext funktioniert. Man könnte sie somit als Endpunkt einer langen Reihe von Beweisführungen Loytveds ansehen.

Axel Loytved: „Stressed Desserts“. Bis 18. August, Kunstverein Braunschweig

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