: Der Kontaktmann
„Focus“ verliert im Prozess gegen seinen Exmitarbeiter Wilhelm Dietl, wirft ihm aber weiterhin vor, als Agent für den BND gearbeitet zu haben
VON SUSANNE HÄRPFER
Fakten schlagen Helmut Markwort: Der vom Focus als Agent beschuldigte Journalist Wilhelm Dietl hat vor dem Landgericht München I über das Nachrichtenmagazin gesiegt. Der Focus hatte seinem festen freien Autor nach zwölf Jahren Ende November 2004 per Fax ohne Angabe von Gründen fristlos gekündigt. Jetzt muss das Blatt das strittige Honorar für die Zeit seit November 2004 nachzahlen. Das Gericht erklärte am vergangenen Donnerstag die fristlose Kündigung für ungültig.
Doch das Münchner Magazin akzeptiert die Niederlage nicht. „Selbstverständlich gehen wir in Berufung“, sagte Focus-Chefredakteur Helmut Markwort zur taz: „Ich habe zu Wilhelm Dietl jedes Vertrauen verloren.“ Und nicht nur das. Für Markwort bleibt Dietl Agent: „Dass Herr Dietl für einen Geheimdienst gearbeitet hat, ist Fakt, und wurde von ihm selbst bereits vor Gericht zugegeben.“
Freie Definition von Fakt
Das wiederum ist eine ziemlich freie Definition von „Fakt“. Im Gerichtsprotokoll heißt es: „Tatsächlich gab es früher Kontakte des Klägers [d. h. Dietls, die Red.] zum BND in den 1980er Jahren.“ Solche Kontakte hatte Dietl auch eingeräumt. Sie hätten denen entsprochen, die „jeder Journalist hat, der sich mit Geheimdiensten beschäftigt“. Ohne diese Beziehungen wäre er vermutlich gar nicht vom Focus angeheuert worden. „Ich habe nie irgendjemand bespitzelt noch Informationen weitergegeben“, hatte Dietl im Prozess erklärt.
Das Gericht sah dies genau so – da der Focus keinerlei stichhaltige Belege für seine Version der Geschichte vorlegen konnte.
Doch auch nach dem Urteil unterstellt das Blatt Dietl weiterhin nachrichtendienstliche Arbeit. „Wir haben erhebliche Zweifel, dass Herr Dietl seine Tätigkeit für den Geheimdienst nach 1993 eingestellt hat. Im Hinblick auf seine Anstellung bei Focus hatte er sogar bestritten, für den BND gearbeitet zu haben“, sagte Focus-Sprecher Uwe Barfknecht am Montag der taz: „Wir halten das für einen glatten Einstellungsbetrug.“ Beweise dafür lieferte er allerdings nicht. Stattdessen verweist er im Stil einer tibetanischen Gebetsmühle immer wieder auf den Satz im Gerichtsprotokoll, wonach Dietl für die 80er-Jahre doch die Kontakte zum BND zugegeben hatte.
Dietl selbst sagte der taz, er sehe „einer möglichen Berufung gelassen entgegen, da es nur eine Wahrheit gibt, und die wurde vom Landgericht bereits erkannt“. Seine ehemaligen Vorgesetzten bei Focus hält er für schlicht falsch beraten: „Markwort sollte sich um die Umsetzung seines alten Mottos „Fakten, Fakten, Fakten“ bemühen“, so Dietl.
Für Focus hatte der Journalist über das saudische Königshaus, über den Iran, Irak, Afghanistan, Pakistan und über die Konfidenten des Terroristen Carlos. Und Focus hatte die Kündigung gegenüber dem Gericht zunächst auch damit begründet, dass Dietl Informant des irakischen Geheimdienstes gewesen sei und eine Redaktionskollegin als BND-Verbindung verunglimpft habe. Beides hat Wilhelm Dietl stets vehement bestritten (siehe taz vom 6. Januar).
Kündigungsgrund gesucht
Focus hatte seinen früheren Mitarbeiter außerdem beschuldigt, für den Stern und damit für die Konkurrenz gearbeitet und somit Vertragsbruch begangen zu haben. Doch auch hier lag der „Fakt“ etwas anders: Dietl hatte die im Stern erschienene Geschichte zuvor beim Focus angeboten. Erst nachdem die Münchner nicht zugriffen, arbeitete er für die Hamburger Illustrierte.
Als auch dieses Argument nicht mehr griff, tauchten die Vorwürfe auf, Dietl habe selbst als BND-Agent gearbeitet. Dem Dienst kam das nicht ungelegen. Denn Dietl hatte gerade gemeinsam mit dem früheren BND-Agenten Norbert Juretzko das Buch „Bedingt dienstbereit“ geschrieben, das kritisch mit dem deutschen Auslandsnachrichtendienst abrechnet. Zurzeit arbeiten die beiden an einem zweiten Buch – mit weitere Enthüllungen über den BND.