■ Der Kompromiß zum Postgesetz tut niemandem weh: Kapitulation vor Haushaltslöchern
Der Kompromiß zum Postgesetz ist scheinbar ein Erfolg der zerstrittenen Koalition. Die beteiligten Parteien und Minister haben ordentlich Lehm an die Wand geworfen und hoffen, daß ein bißchen was beim Wähler hängengeblieben ist. So hat sich die FDP scheinbar wieder als liberalisierende Klientelpartei bestätigt. Sie hat das Postmonopol ein bißchen gelockert und den Markt ein wenig geöffnet. Postminister Bötsch ist der von ihm ungeliebten Koalitionspartei ein bißchen entgegengekommen und hat auch ein bißchen an die bröselnde Ertragslage der Post AG gedacht. Die Postangestellten können erst mal froh sein, daß nicht ruck, zuck 10.000 KollegInnen entlassen werden.
Finanzminister Theo Waigel wird es Bötsch danken. Hat der ihn doch davor bewahrt, weitere Milliarden aus dem leeren Staatssäckel in die Pensionszahlungen der Postbüddel zu stecken. Die Post selbst hat durch den Kompromiß mit 1,2 Milliarden Mark nur wenig Einbußen und vor allem Zeit genug, in den kommenden fünf Jahren ihren Gang an die Börse vorzubereiten.
Daran glaubt nämlich bislang niemand – nicht mal ein bißchen. Im Postministerium lacht man bislang nur über derartige Gedankenspiele der Liberalisierer. Aber für die drei jetzigen Koalitionsparteien, die ja 1998 am liebsten wieder als Regierungsmannschaft antreten wollen, ist die P-Aktie schon verlockend. Mit den Gewinnen aus Aktienpaketen der Post könnten sie ihren spätestens 1998 völlig ungedeckten Haushalt ein wenig ausgleichen.
Mit dem Kompromiß zum Postgesetz zeigt sich, daß die Bundesregierung längst vor ihren selbstproduzierten Haushaltslöchern kapituliert hat. Vier Milliarden Mark für die Postpensionen sind eben viel Geld für einen Finanzminister, der seit Wochen an eine Haushaltssperre denkt. Bei der letzten Sperre im März 1996 hat er gerade mal vier Milliarden Mark einbehalten.
Der Kompromiß, der nur deswegen gestern zustande kam, weil er bis zum 31. Dezember bereits Gesetz sein muß, ist übriggeblieben von den großen Würfen, die Deutschland einmal wettbewerbsfähiger machen sollten. Aber die Koalition starrt durch die Haushaltslöcher auf die sich nach oben bewegende Kurve der Arbeitslosen und freut sich an kleinen Kompromissen, die es allen erlauben, das Gesicht zu wahren. Ulrike Fokken
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