■ Der Karneval ist vorbei – die Blähungen bleiben: Gigantischer Meteorismus
Bayern und Rheinländer haben es gut! Alkoholexzesse, sexuelle Entgleisungen, Völlerei – am Aschermittwoch ist alles vorbei. Und der Mensch lebt auf. Da der kirchlichen Ordnung in Preußen nicht mehr genügend Beachtung geschenkt wird, möchten wir, um Mäßigung zu fördern, auf eines der letzten Tabus der Informationsgesellschaft zu sprechen kommen: die Darmgasbildung!
Die Alkoholmenge, ab der sich die Leber zersetzt, wird im Nachmittags-Fernsehen bekanntgegeben. Die Gefahren geschlechtlicher Ausschweifungen leuchten im zweiten Aids-Jahrzehnt auch dem losesten Charakter ein. Doch zu den Risiken des Kohl-Konsums schweigen Kirche, Medien und nicht zuletzt die Regierung.
Dabei beginnt das Dilemma schon kurz nach der Geburt. 25 Prozent der Säuglinge leiden in den ersten Lebensmonaten unter exzessiven Blähungen. Besonders in den Abend- und Nachtstunden schreien die Babies nach den Mahlzeiten oft stundenlang, krümmen sich vor Schmerzen und lassen sich nicht beruhigen. Wenn sie schließlich dem Arzt vorgestellt werden, sind sie meist gerade endlich eingeschlafen.
Im Verlauf der Sozialisation lernt der Mensch dann, unauffälliger mit seiner Darmgasproduktion umzugehen. Das ist, bei gut einem halben Liter pro Tag, eine beachtliche Leistung, die der Durchschnittsbürger sich (und seiner Umgebung) durch Einteilung in etwa 15 kleinere Portionen erleichtert.
Die chemische Zusammensetzung der Emissionen variiert stark. Stickstoff, der vor allem aus verschluckter Atemluft stammt, macht in ruhigen Tagen den Hauptanteil aus. Beim Genuß bestimmter Gemüsesorten produzieren die Darmbakterien aus unverdaulichen Kohlenhydratresten außerdem Wasserstoff und Kohlendioxid. Wer seinen Kalorienbedarf überwiegend mit Bohnen deckt, kann seine Darmgasabgabe mühelos [wohl eher mühevoll, säzzer] auf das Zehnfache, das heißt fünf Liter pro Tag, steigern.
Die maximale Kohlendioxidproduktion beträgt unter diesen Umständen ein Kilo pro Jahr, was in Anbetracht der 13.700 Kilo, die für die sonstige Lebenshaltung eines Bundesbürgers anfallen, den Treibhauseffekt kaum verschlimmert. Bei der Beurteilung des Bohnenessers kommt außerdem mildernd in Betracht, daß Wasserstoff und Kohlendioxid geruchlos sind.
Ihre spezifische Duftnote erhalten die menschlichen Abgase durch Spuren von Schwefelwasserstoff, Ammoniak und andere Aromastoffe.
Diese werden dann freigesetzt, wenn den Bakterien im Enddarm Eiweißreste aus der Nahrung zugeführt werden, nämlich dann, wenn der Darm in seinen oberen Abschnitten die Nahrungsaufnahme nicht vollständig schafft. Womit wir beim Sinn des Fastens wären. Allerdings nicht ohne einen kritischen Wink an die Kirche: keine Fischorgien, denn der enthält bekanntlich besonders viel Eiweiß. Thomas Hirsch
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