: Der Kampf geht weiter
Der langjährige Widerstand gegen den Abriss des Studentendorfs Schlachtensee hat sich gelohnt: Der erste Bauabschnitt der Renovierung des Symbols Westberliner Architektur und Werte ist fertig
Es war Willy Brandt, damals Regierender Bürgermeister, der 1959 das Studentendorf Schlachtensee eröffnete. Initiiert worden war der Bau der ersten studentischen Wohnanlage mit über 1.000 Plätzen von Eleanor Lansing Dulles, der Schwester des damaligen US-Außenministers, die damit auch die Bedeutung der Westbindung Berlins unterstrich. 1968 wurde der Club A18 zur Bühne des studentischen Protests. Das Denkmal der Nachkriegsmoderne sollte 1999 abgerissen werden. Nach dem Widerstand unter anderem von Studenten begann 2006 die Erneuerung der Pavillons.
VON ROLF LAUTENSCHLÄGER
Was für eine Geschichte! Vor zehn Jahren wollte der Senat das Studentendorf Schlachtensee abreißen. Ab 2004 nahm die aus studentischer Initiative hervorgegangene Genossenschaft das Areal in FU-Nähe in die eigene Verantwortung. 2006 erhob der Bund das im Stil der Nachkriegsmoderne erbaute Studentendorf zum nationalen Denkmal, und am heutigen Donnerstag, zum 50. Jahrestag seiner Eröffnung 1959, erleben die über 20 Wohnpavillons, Studentenhäuser und Gemeinschaftsbauten eine Wiedergeburt.
Die beiden ersten dreistöckigen Pavillons – Haus Nummer 4 und 8 mit klösterlichen Studentenbuden und geräumigen Apartments, mit Gemeinschaftsküchen und neuen Bädern – sind nach ihrer denkmalgerechten Erneuerung fertiggestellt worden. Rund zwei Jahre hat der Umbau durch die Berliner Architekten Autzen & Reimers gedauert, bei dem jeweils „die Fassaden gedämmt und neue Fenster mit den schnittigen Stahlrahmen eingebaut wurden“, wie Jens-Uwe Köhler, einer der beiden Vorstände der Genossenschaft Studentendorf Berlin-Schlachtensee, zur taz sagte.
Besonders stolz sind Köhler und sein Vorstandskollege Andreas Barz auf die veränderten Grundrisse, die im Innern der Studentenwohnbauten zu mehr Raum führten, sowie auf das Farbkonzept. Die historischen Farben der Fünfzigerjahre seien hier und da unter alten Anstrichen „regelrecht hervorgekratzt worden“. Das Blau und das helle Grün, violette und cremefarbene Töne, schlichtes Weiß oder ein kräftiges Orange bestimmten wieder den Charakter der leichten, luftigen Pavillons.
Man spürt das Licht, das durch die großen Scheiben und breiten Fensterbänder scheint, die offenen Apartments und Treppenhallen geben viel Raum, und die kantigen Kuben und Profile lassen den schnittigen Bauhaus- und Nachkriegsstil der Architektur von Fehling/Gogel/Pfankuch von 1959 in dem terrassenartigen Gesamtkomplex wieder klar hervortreten.
Weitere Sanierungen sollen noch in diesem Jahr folgen – vorausgesetzt, die Genossenschaft kann das finanzieren. Bis 2016, so rechnen Barz und Köhler, „dürfte die gesamte Erneuerung der maroden Bausubstanz dauern“. Das heute nicht gänzlich bewohnte Dorf könnte mit seinen insgesamt rund 850 Plätzen dann wieder vollständig genutzt werden. „Es war nicht nur ein langer Kampf um den Erhalt des Studentendorfs“, so Köhler, „er ist auch noch nicht beendet.“
Sehr kritisch stand es um das Studentendorf besonders 1999, als der Senat zum Sturm auf die Nachkriegsmoderne aufrief. Trotz Protesten von Architekten und Historikern, Denkmalschützern und der FU-Leitung – aber besonders der Studentischen Selbstverwaltung Schlachtensee – verlangte Berlin den Abriss. Die Akademie der Künste sprach sich damals vehement für den Erhalt des denkmalgeschützten Studentendorfes aus. Die Zerstörung eines „der bedeutendsten architektonischen Anlagen der Nachkriegszeit“ wäre ein „Armutszeugnis“ für die Kultur der Stadt, heißt es in einer Erklärung von 1999. Das Ensemble aus modernen Pavillons in offener Bauweise, die sich locker um einen Campus gruppierten, war 1959 mithilfe der USA als erste Wohnanlage für Studenten der Freien Universität entstanden und war ein Symbol Westberliner Architektur und Wertvorstellungen.
Dass insbesondere die studentischen Initiativen sowie die 2002 gegründete Genossenschaft ihren Widerstand gegen den Abriss nie aufgegeben haben, gehört zu den Besonderheiten der Geschichte des Studentendorfs Schlachtensee. „Es war immer unser Dorf“, erinnert sich ein Studentenvertreter. Und das soll es auch bleiben. Für die Zukunft, sagen Barz und Köhler, „muss wieder etwas passieren“. Den Großteil der Finanzierung von rund 750.000 Euro für den Umbau und die Renovierung stellten der Bund, das Land Berlin, die Freie Universität und die Stiftung Denkmalschutz zur Verfügung. Für weitere Erneuerungen, so Köhler, „ist es nötig, dass neue Partner gefunden werden“. Der Kampf geht also weiter.