■ Der Journalist Waldberg bleibt in türkischer Haft: Zeigen, was eine Harke ist
Spätestens nach der Revisionsverhandlung wird Stefan Waldberg wieder frei sein. Man darf die türkischen Behörden jetzt nicht vor den Kopf stoßen. Es gibt vertrauliche Signale, daß die ganze Geschichte bald erledigt ist. Mit solchen und ähnlichen Hinweisen warteten bundesdeutsche Offizielle seit der Verhaftung des Journalisten Stefan Waldberg auf, dem das türkische Militär eine Unterstützung der „terroristischen Vereinigung PKK“ vorwirft. Das Ergebnis dieser stillen Post hinter den Kulissen kann jetzt besichtigt werden: Der türkische Kassationsgerichtshof hat letztinstanzlich das Urteil des militärischen Sondergerichtshofes in Diyarbakir bestätigt. Diese Entscheidung des ganz und gar unabhängigen Gerichts in Ankara ist ein deutliches Signal an mehrere Adressaten.
Der erste ist die kritische Öffentlichkeit im Westen, soweit sie sich für das Schicksal der Kurden interessiert. Ausländer, seien sie nun Journalisten oder nicht, die ihre Nase nach wie vor in die Angelegenheiten des türkischen Militärs in den kurdischen Gebieten stecken wollen, müssen damit rechnen, ganz schnell im Knast zu verschwinden. An Stefan Waldberg wird jetzt demonstriert, daß diese Drohung ernst gemeint ist und im Zweifel auch durchgesetzt wird. Laue Protestchen, die – wie jetzt von Bonn eher pflichtgemäß als in echter Empörung vorgebracht werden – können daran zukünftig nichts ändern.
Der zweite Adressat ist die Bundesregierung. Seit Genscher vor knapp zwei Jahren aus rein innenpolitischen Gründen vorübergehend deutsche Waffenlieferungen an die Türkei stoppen ließ, weil diese auch im Kampf gegen die Kurden verwendet wurden, ist das deutsch-türkische Verhältnis angeknackst. Nicht ganz zu unrecht fühlte die türkische Regierung sich damals von Genscher vorgeführt, der plötzlich so tat, als wüßten die Deutschen und auch die Nato nicht schon längst, wofür Ankara die Waffen aus dem Westen benutzt. So wenig glaubwürdig die Proteste aus Bonn damals waren, so wenig wirksam ist jetzt das Kulissengeflüster eines Herrn Stercken, der als Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages in Ankara war. Das Urteil gegen Waldberg zeigt ein zunehmendes Selbstbewußtsein in Ankara, die sich vom Westen insgesamt und von der Bundesrepublik im besonderen nicht länger lediglich als nützliche Idioten in der Nato behandeln lassen wollen.
Stefan Waldberg ist das Objekt, an dem diese neue Haltung demonstriert wird. Jürgen Gottschlich
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