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Archiv-Artikel

Der Jörg eben

Jörg Bora ist schon Polizist, Vereinspräsident, Stimmungsmusiker – nun will der Parteilose auch noch Bürgermeister im Sauerland werden

Der Polizist im gehobenen Dienst ist auch Bandmitglied bei „260 Kg Stimmung“

AUS WERDOHL THORSTEN SCHABELON

Ein Einstellungsberater bei der Polizei will als Einzelbewerber morgen Bürgermeister im sauerländischen Werdohl werden. Und Jörg Bora hat gute Chancen – denn Bora ist ein Phänomen. Der Polizist im gehobenen Dienst, der auch Mitglied der Band „260 kg Stimmung“ ist, kommt an: Im ersten Wahlgang bei den Kommunalwahlen vor zwei Wochen erhielt er 38,8 Prozent der Stimmen und lag nur knapp hinter dem CDU-Kandidat Detlef Seidel (39,2 Prozent).

Morgen findet in Werdohl, wie NRW-weit in 15 kreisfreien Städten, fünf Kreisen und 91 kreisangehörigen Gemeinden, die Stichwahl statt. Jörg Bora spricht gerne von der für ihn „spannendsten und anstrengendsten Zeit seines Lebens“.

Cornelius Böttcher kennt die Stadt an der Lenne gut: Der Sozialdemokrat engagiert sich seit 15 Jahren in der Kommunalpolitik, arbeitet seit zehn als SPD-Fraktionsvorsitzender im Rat und war doch im ersten Bürgermeister-Wahlgang chancenlos. „Das lag auch an der Großwetterlage“, sagt er. Aber auch an Bora. „Er hat Motivationskraft, ist was Neues, weckt Reize und Hoffnungen“, sagt Cornelius Böttcher über seinen parteilosen Konkurrenten, der in der 20.000-Einwohner-Stadt nur als „der Jörg“ bekannt ist und dem örtlichen Fußballverein FSV Werdohl vorsitzt.

Hoffnung hat Werdohl bitter nötig. Die Stahl- und Metallverarbeiter haben Stellen abgebaut, geblieben sind knapp elf Prozent Arbeitslose. Die Stadt schrumpft langsam und seit 1994 gibt es ein Haushaltssicherungskonzept. Mittlerweile findet selbst das keine Genehmigung mehr. Ein Ausgleich ist nicht möglich – die städtischen Vermögenswerte sind verkauft: „Wir müssen uns alles bei der Kommunalaufsicht genehmigen lassen, für Kunstrasen ist kein Geld da“, sagt Cornelius Böttcher. – „Mängelverwaltung“, nennt es der scheidende Bürgermeister Manfred Wolf.

Mit solchen Themen müsste sich der 39-jährige Bora nach der Wahl befassen – zuvor liest er laut Zeitungs-Fragebogen schon einmal die NRW-Gemeindeordnung. Ende Juli hat sich Bora aufstellen lassen, „nachdem ich mich erstmals damit beschäftigt habe, was ein Bürgermeister so macht.“ Mit Kommunalpolitik habe er sich nie beschäftigt, aber jetzt will er sich „hauptamtlich engagieren.“

In der nordrhein-westfälischen Kommune mit dem höchsten Ausländeranteil (22 Prozent) wirbt der „Einzelkämpfer“ Jörg Bora mit den ungarischen Großeltern für eine Partnerschaft mit einer türkischen Stadt. Und genauso pragmatisch fordert Bora einen Nachtbus und spricht sich für Volksentscheide aus. Dahinter steht zwar kein Lösungskonzept für die Werdohler Probleme, aber eben Jörg Bora. Und der ist ein Werdohler für Werdohl, der Jörg eben – und kein Politiker.