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Archiv-Artikel

Der Himmel über Rom

Als Schalke und Yves Klein sich trafen: Der Film „Schuss ins Blau“, ein Parcours durch Gelsenkirchen, im Abaton

Kennen Sie Gelsenkirchen? Dann wissen Sie vielleicht, dass diese Stadt für zwei Dinge berühmt ist: Schalke und das Musiktheater im Revier (MiR) mit seinen riesigen monochromen Farbplatten von Yves Klein. 1958 haben sich Kunst und Fußball kurz berührt, als Schalke zum siebten und bisher letzten Mal die Deutsche Meisterschaft gewann, und Klein vom Architekten Werner Ruhnau beauftragt wurde, die Ausgestaltung des Foyers im MiR zu übernehmen.

Eine ungewöhnliche Parallele, an die Christian Bau in seinem neuesten Film Schuss ins Blau eindringlich erinnert. Welches ist das eigentliche Blau von Gelsenkirchen – das Ultramarin von Yves Klein oder das Königsblau von Schalke? Und hat Fußball irgendetwas mit Kunst zu tun? Um dies zu ergründen, schickt Christian Bau den Schalke-Fan Peter Lohmeyer auf eine poetische Reise in die fast vergessene Heimat des Blau.

Auf der Suche nach Berührungspunkten trifft er den MiR-Architekten Ruhnau und Yves Kleins Frau Rotraut Klein-Moquay, die selber Künstlerin ist. Eine Gruppe skurriler Persönlichkeiten hat sich von Lohmeyer in ein Gespräch über Yves Klein verwicklen lassen, darunter auch der kürzlich verstorbene Künstler Charles Wilp.

Sportler sind da bodenständiger: Im Foyer des MiR begegnet Lohmeyer Rudi Völler. Auf die Frage, ob er etwas mit dem Blau anfangen könne, antwortet der: „Ich hab ja in Rom gelebt, so sieht der Himmel aus in Rom im Sommer.“ Manche sind schlagfertiger. Zum Beispiel einer der Fußballer aus der 58er-Meistermannschaft, von dem Lohmeyer wissen will, was Kultur für sein Leben bedeute. „In den Fünfzigern war Kultur Luxus, und das bedeutete in erster Linie, eine Wohnung zu haben“, sagt der.

Bau gelingt die Verknüpfung von Kunst und Sport, die auf den ersten Blick wenig gemeinsam haben. Geschickt deuten schon im Vorspann Überblendungen diese Verbindung an, abwechselnd schwenkt die Kamera über das Fußballfeld und die Oberfläche der Werke Kleins. Bau präsentiert Yves Klein nicht nur als kontemplativen Künstler, sondern als Arbeiter: Als Judoka an Hochleistungen gewöhnt, ging Klein auch in der Kunst an die Grenzen seiner physischen Belastbarkeit – etwa in der Arbeit mit hochgefährlichen Materialien oder auf Fotos, die zeigen, wie er mit gewagten Sprüngen versucht, der Schwerkraft ein Schnippchen zu schlagen.

Schuss ins Blau gewährt aber auch einen Einblick in die Klein‘sche Rezeptionsgeschichte. Denn seine monochrome Malerei galt damals keineswegs allen als Kunst: Selbst die Stadtobersten in Gelsenkirchen ließen 1958 einen Farbberater anreisen. Er sollte klären, ob Architekt Ruhnau, so beschreibt er es, „noch ganz normal sei“, das Foyer des MiR mit den riesigen blauen Tafeln ausstatten zu lassen.

67 Minuten dauert Schuss ins Blau, eine gute Stunde hat er angefüllt mit kurzweiligen Begegnungen. Mit der Kürze des Filmes entgeht Bau der Gefahr, das Thema überzustrapazieren. Am Ende zeigt sich, dass Fußball und Kunst in Gelsenkirchen noch einen Koffer stehen haben. Und wer könnte das schöner in Worte fassen, als Rudi Assauer bei seiner ersten Begegnung mit Yves-Klein-Werken: „Sieht super aus, auch wenn‘s nicht das original Schalker Blau ist. Aber es ist trotzdem ein sehr schönes Blau geworden“. Beatrice Wallis

ab 3.3., Abaton