■ Der Grüne Manfred Such zur Kritik seiner PKK-Kollegen: „Sie lauern auf eine Blöße“
Die Parlamentarische Kontrollkommission (PKK) soll die Arbeit der Nachrichtendienste überwachen. Sie tagt streng geheim, und erstmals ist in dieser Legislaturperiode mit dem Abgeordneten Manfred Such ein Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen in den erlauchten Klub der Schlapphut-Kontrolleure gewählt worden. Seit dort der ominöse, vom Bundesnachrichtendienst angeschobene Plutonium- Deal verhandelt wurde, sind die übrigen PKK-Mitglieder sauer auf den Kollegen Such. Denn der soll Interna ausgeplaudert und damit gegen die Geheimhaltung verstoßen haben. Der Anlaß ist eigentlich nichtig, wohl eher Mittel zum Zweck, den Geheimdienstkritiker zu disziplinieren. Im Verlauf der PKK-Sitzung am 20. 4. hatte Such beim Gang zur Toilette Reportern berichtet: „Wie Sie sehen, bin ich relativ frustriert. Aus der Sitzung darf ich nichts sagen, und ich werde mich daran halten. Nach meiner Einschätzung des bisherigen Gesprächsverlaufs brauchen wir einen parlamentarischen Untersuchungsausschuß, und den werde ich meiner Fraktion empfehlen.“ Die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses wurde am Donnerstag vom Bundestag beschlossen.
taz: Herr Such, haben Sie als Mitglied der PKK Schwierigkeiten mit den Geheimhaltungspflichten?
Manfred Such: Keineswegs. Bei meinen Äußerungen, die sich auf die Kontrollkommission beziehen, achte ich geradezu peinlich darauf, diese Geheimhaltungspflicht einzuhalten.
Müßten Sie das nicht etwas lockerer sehen als Grüner und als ausgewiesener Kritiker der Geheimdienste?
Im Gegenteil: Ich wäre als erster bündnisgrüner Vertreter in der PKK geradezu politisch töricht, wenn ich die formalen Verpflichtungen aus diesem Amt locker handhaben würde und damit irgendwelche Mätzchen zu machen versuchte. Mir ist glasklar, daß viele nur darauf lauern, daß ich mir hier eine Blöße gebe.
Heißt das, Sie akzeptieren Existenz und Umfang der geltenden Geheimhaltungspraxis? Sind Sie zahm geworden, nur hat's die Koalition noch nicht gemerkt?
Ich glaube, die KollegInnen aus der Koalition empfinden mich gar nicht als zahm, sondern eher als zu engagiert. Die Union sieht es inzwischen als Fehler an, mich als grundsätzlichen Kritiker der Geheimdienste in die PKK gewählt zu haben. Das hat jüngst der PKK- Vorsitzende Zeitlmann ausdrücklich so formuliert. Und Herr Marschewski, der innenpolitische Sprecher der Union, will sogar einen Austausch meiner Personen, meinen „freiwilligen Rücktritt“.
Sind die Koalitionsparteien diesem Ziel näher gekommen, nachdem der Unionsgeschäftsführer Hörster beim Ältestenrat erreicht hat, daß Ihr Verhalten auf mögliche Strafbarbeit hin überprüft wird?
Herr Hörster sollte sich mit seinen verleumderischen Behauptungen, wider besseres Wissen übrigens, vorsehen; ich habe meine Anwälte bereits um Überprüfung gebeten. Fakt ist, daß die Koalition in der Sitzung des Ältestenrates am 26. April noch nicht einmal vortragen konnte, welche Äußerungen sie mir vorwirft. Der Geschäftsführer der FDP hat trotzdem noch eine schriftliche Beurteilung der Bundestagspräsidentin Süssmuth erbeten, ob Ankündigung und Durchführung einer Pressekonferenz nach einer PKK- Sitzung mit der Geschäftsordnung im Einklang stehen. Da ich aber weder das eine noch das andere getan habe, wohl aber die Altparteien, kann sich ein Votum der Präsidentin nur auf diese beziehen.
Richtig wasserdicht im Sinne der Geheimhaltung war die PKK noch nie. Woher kommt Ihres Erachtens jetzt die Aufregung?
Mir liegen aus den letzten Jahren zahlreiche öffentliche Informationen oder Bewertungen der anderen PKK-Mitglieder über Sitzungsinhalte vor, deren Überprüfung anhand des PKK- oder Strafgesetzbuches bestimmt interessant wäre. Ich denke, die Koalition hat offensichtlich eine Ablenkung von der für sie so peinlichen BND-Affäre „ge-Such-t“. Außerdem hat sie sich mit ihrer hohlen Beschwörung, PKK-Mitglieder sollten oder dürften nicht in den jetzt beschlossenen Untersuchungsausschuß zur Plutonium-Affäre, scheinbar der Illusion hingegeben, sie könnte die Bündnisgrünen so einschüchtern, daß die nur noch ein „Wattebäuschchen“ in den Ausschuß schicken. Meine Fraktion ist aber nicht in die Knie gegangen. Sie hat befunden, daß jemand mit 30 Jahren Verhörerfahrung im Polizeidienst für den Ausschuß genau der Richtige ist. Die Koalition, so scheint mir, leidet sichtlich noch unter einem „Ingrid-Köppe- Trauma“ aus der letzten Wahlperiode, wo die verdienstvolle Kollegin durch weitreichende Anträge zur Rolle der Dienste und durch hartnäckige Fragen faktisch den Untersuchungsausschuß „Schalck- Golodkowski“ dominierte.
Zeigt sich anhand der Plutonium-Affäre nicht, daß die PKK zur Kontrolle der Geheimdienste ein eher untaugliches Instrument ist?
Die Kontrolle scheitert daran, daß alles, was in der PKK vorgetragen wird, geheim bleiben muß. Grotesk ist, daß sogar der Sitzungszeitpunkt geheim bleiben soll. Ich habe Verständnis dafür, daß bestimmte Informationen geheim bleiben müssen. Es müßte aber, wie in einem Untersuchungsausschuß, möglich sein, über die Inhalte Öffentlichkeit zu schaffen. Dazu kommt, daß die Kontrolle der Geheimdienste, wenn man diese ernst nimmt, ein Full-time- Job wäre. Das kann man nicht so nebenbei machen. Fazit ist, geheim arbeitende Dienste und deren effektive Kontrolle schließen sich aus. Weil ich in diesem Konflikt der Demokratie den Vorrang gebe, müssen die Dienste weichen und aufgelöst werden.
Im Untersuchungsauftrag für den Plutonium-Ausschuß wurde auch eine Überprüfung der Aufgaben der Nachrichtendienste festgeschrieben. Heißt dies, daß sich der Ausschuß Gedanken über eine Neustrukturierung des Bundesnachrichtendienstes machen wird?
Es wird wohl letztlich darauf hinauslaufen, den Budesnachrichtendienst ein wenig zu verkleinern und seine Aufgaben neu zu definieren. Stichwort: schlankere, effektive Verwaltung. Der generelle Trend im Bereich der Inneren Sicherheit lief bisher allerdings darauf hinaus, immer mehr originäre Polizeiaufgaben auch an die Geheimdienste zu übertragen. Das ist auch das Strickmuster solcher Affären wie jetzt beim Plutoniumschmuggel. Im Hinterkopf der beteiligten Bürokraten geht es immer auch darum, sich neue Aufgabenfelder zu suchen. Seit dem Fall der Mauer 1989 wird schamlos darüber diskutiert, daß man den Geheimdiensten polizeiliche Aufgaben übertragen soll. In Bayern ist dies schon Gesetz. Das steht in einem eklatanten Widerspruch zum Verfassungsgrundsatz, die Arbeit der Polizei und die der Geheimdienste strikt voneinander zu trennen. Interview: Wolfgang Gast
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen