: Der Gipfel: 300 Millionen Mark mehr Bildung
■ Experten bestiegen gestern (fast) ohne Kohl den „Bildungsgipfel“
Berlin (taz) – Der Kanzler hatte wenig Zeit. Noch vor der Mittagspause ließ Helmut Kohl den von ihm einberufenen, nichtöffentlichen „Bildungsgipfel“ allein. Wenn das das Expertengespräch gewesen sein soll, „dann ist es ein Hohn“, klagte der Student Bernd- Alfred Bartels gegenüber der taz. Der 25jährige aus Hamburg war einer von zwei StudentInnen im Nato-Saal des Kanzleramtes.
Einmal durfte Bartels reden. Eine Stunde nachdem er sich gemeldet hatte, habe ihn Kanzleramtsminister Bohl „drangenommen“. Bartels attackierte Ministerpräsident Erwin Teufel, der „wieder massiv für Studiengebühren und Zwangsexmatrikulationen sprach“. Es würde das Pferd von hinten aufzäumen, wenn die Studenten mit Verboten und administrativen Methoden bestraft würden. Der junge Liberale Bartels forderte statt dessen, die Studienbedingungen zu verbessern. Dazu gehöre eine Entschlackung der Studiengänge, so der hamburgische Jurastudent vor 60 TeilnehmerInnen des bildungspolitischen Grundsatzgesprächs.
Die von Kohl einbestellte Expertenrunde sollte sich mit der Krise befassen, in die ein deutsches Lieblingskind geraten ist: die Bildung. Das Gespräch kreiste, laut Teilnehmern vom Kanzler „leutselig von oben herab“ geleitet, um das schlechte Ansehen der beruflichen Bildung. Das „duale Ausbildungssystem muß attraktiver werden“, forderte Kohl in seinem 40minütigen Einleitungsstatement. Schul- und Hochschulbildung kamen unter dem Stichwort „verkürzen“ vor: zwölf Jahre nur noch bis zum Abi, und die Hochschulen sollten die Studierenden schneller zum Examen bringen. Schuld seien die miserablen Studienbedingungen, kritisierte der GEW-Vorsitzende Dieter Wunder: „In den 80er Jahren haben Bund und Länder die Hochschulen verloddern lassen“, sagte Wunder. Er forderte, 10.000 Stellen vorrangig für lehrende WissenschaftlerInnen zu schaffen. Ins Schußfeld der Kritik geriet der Hauptschulabschluß. Der befähige junge Menschen nicht mehr dazu, sich nach der Schule noch Schlüsselqualifikationen anzueignen, kritisierten Gewerkschaftsvertreter. Wirtschaftsminister Günter Rexrodt (FDP) bemerkte, die asiatische Konkurrenz investiere „besonders kräftig in den Bildungssektor“. Hierzulande, so Beobachter, werde sich das auf 300 Millionen Mark beschränken, um die der Bund seine Hochschulbaumittel aufstocken werde. Darüber werde beim Treffen der Ministerpräsidenten mit dem Kanzler im Dezember entschieden. Helmut Kohl jedenfalls überraschte mit dem Satz, zwischen Bund und Ländern bestünde „bereits grundsätzliches Einvernehmen“ über Reformen. Christian Füller
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