Der Fortsetzungsroman: Kapitel 17: Neuer Tag, neuer Kopierer
Was bisher geschah: Jenny und C2H5OH haben ein Rendezvous im St. Oberholz.
Das also war er gewesen – der galaktische Sex, von dem alle sprachen. Jenny war im Zweifel, ob er wirklich überirdisch gewesen war, in jedem Fall außerirdisch. Sie kuschelte sich unter ihre Bettdecke und dachte über die vergangenen 24 Stunden nach. C2H5OH hatte sich als gelehrig und ausdauernd erwiesen. Zwischendurch hatten sie mal eine Runde zusammen gesummt, aber daran konnte sie sich gewöhnen. Ebenso wie an den Umstand, dass der Erste Maat seine Sonnenbrille nicht ablegen wollte. Andere Planeten, andere Gebräuche und Geräusche. Ob es eine Neuauflage geben würde, wer wusste das schon. C2H5OH war zurück zu seinem Raumschiff gegangen, um dort auszuharren, bis die Wirkung der Morphoponierung nachließ. Was der Erste Maat jetzt wohl gerade machte?
C2H5OH, Erster Maat vom Planeten Blip, lag in seinem Schalensitz im Raumschiff. Neben ihm warteten ein Stift und ein Schreibblock, um Stichpunkte für ein Gedicht für Jenny zu notieren. Viel war es noch nicht: Mittelohr und Garagentor. Aber das war kein Wunder. Auf Blip bestand Poesie in minimalen Geschwindigkeitsschwankungen des Pulses, in dem man summte. Hier auf R-D suchte man nach Worten. Kirchenchor. Diktator. Er musste den Blasierten Bordcomputer um Hilfe bitten. Es gab unzählig viele Worte, und er musste genau die finden, die seine wahren Gefühle ausdrückten. Frau. Papierstau.
C2H5OH versuchte sich, an den Abend mit Jenny zu erinnern. In der ersten Kneipe, da hatten sie zusammen gesessen. In der zweiten Kneipe, da hatten sie zusammen gegessen. In der dritten Kneipe hatte Jenny ihm ein weiteres Fläschchen Club Mate aufgenötigt. C2H5OH hatte keine klare Erinnerung, was danach geschehen war. Aber das, was er noch wusste, machte ihn ganz aufgeregt. Professor Phäno, dieser aufgeblasene Schwätzer mit seinem Buchwissen. Im wirklichen Leben mit einem wirklichen Helotenweibchen war alles anders. C2H5OH schnob durch die Nase, und ein stechender Schmerz durchzuckte seine Schläfen. Tierstimmenimitator. Er griff zum Stift.
Vorne im Kopyshop rollten Professor Phäno und Professor Median gerade das Kabel des letzten Kopierers aus, den sie gefunden hatten. „Die Rosmarinstraße können wir von der Liste streichen, Kollege“, sagte Professor Median und markierte einen Punkt auf dem Stadtplan, der sich auf seinem blauen Klemmbrett befand. „Da ist auch kein Raumschiff.“ In der Rosmarinstraße hatten er und Professor Phäno nur den Flagshipstore eines Internetversandhauses für Pferdeprodukte gefunden: Wieher vor Glück! stand noch im Schaufenster, aber der Laden war pleite gegangen. Major Canis hatte den zurückgelassenen Kopierer in das Kopyshop geschleppt. Jetzt standen hier drei Geräte.
„Ich glaube, Helotin Jenny hasst mich“, sagte Professor Phäno und stellte eine Konservenbüchse mit Ponyragout in das Regal zu den anderen Artefakten, die er gesammelt hatte. „Ich habe ihre Gefühle verletzt.“
„Ach ja, Gefühle.“ Professor Median drückte den Startknopf. „Ich habe darüber gelesen. Woraus schließen Sie, dass die Helotin Sie hasst? Wobei, Sie schließen ja nicht, Herr Kollege. Sie stellen lediglich unbegründete Annahmen in den Raum.“
„Sie hat mich als Naturwissenschaftler bezeichnet“, sagte Professor Median beiläufig und sah aus den Augenwinkeln, dass Professor Median rot anlief. „Was für eine absurde Vorstellung. Ich habe doch kein Klemmbrett vor dem Kopf.“
Die Tür zum Kopyshop klapperte, und Professor Median strich sich den Laborkittel glatt. „Ein Kunde, Überbringer von kleinen Metallscheiben oder von Marshmallows. Keine Zeit für Ihre primitiven Sticheleien.“ Er ging nach vorne. „Guten Tag, freundlicher Helot. Mit welcher Dienstleistung der Extraklasse kann ich diesen Tag zum Höhepunkt Ihres bisher belanglosen Lebens machen?“
Der Besucher trug einen blauen Anzug, ein weißes Hemd und eine blau gestreifte Krawatte. Er stellte einen Aktenkoffer vorsichtig auf den Boden und zückte ein Faltblatt: „Guten Tag, Selmig von der Protecto Versicherungs-AG. Haben Sie schon einmal daran gedacht, Ihre Kopierer zu versichern? Gegen Diebstahl, Papierstau, Tonerfraß und Überspannungsbrand, alles in einem Paket. Seit Jahrzehnten bewährt.“
„Was will der fremde Mann?“, fragte Professor Median.
„Vielleicht ist er einsam“, sagte Professor Phäno.
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