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Archiv-Artikel

Der Favorit schwankt

Beim Achtelfinal-Erfolg über Mexiko sah Argentinien bei weitem nicht so souverän aus wie erwartet. Die Frage vor dem Viertelfinale ist nun: Sind die Argentinier entzaubert oder jetzt erst recht gefestigt?

AUS LEIPZIG ANDREAS RÜTTENAUER

Dem einen gelingt fünf Minuten lang gar kein Zuspiel. Dem anderen springt mehrere Male der Ball vom Fuß. Und ein Dritter tut sich immer dann besonders schwer, wenn hohe Bälle in den eigenen Strafraum fliegen. Nein, die Rede ist nicht von deutschen Antitechnikern, sondern vom argentinischen Spielmacher Juan Ramon Riquelme, vom stürmenden Außenverteidiger Juan Pablo Sorin und Roberto Ayala, dem Chef im Abwehrzentrum. Allesamt sind sie wichtige Eckpfeiler in der Nationalmannschaft Argentiniens. Ihre Leistungen haben dazu beigetragen, dass, wer nach der Vorrunde auf Argentinien als den kommenden Weltmeister gewettet hat, nur miese Quoten angeboten bekam.

Beim 2:1-Sieg nach Verlängerung gegen Mexiko im Achtelfinale am Samstagabend aber wurde deutlich, dass sie zu Fehlern neigen, wenn sie unter Druck geraten. Mexiko und Argentinien neutralisierten sich auf hohem Niveau. Dass das Spiel durch einen wahren Sonntagsschuss von Maxi Rodriguez (98.) entschieden wurde, war da nur folgerichtig. Und es zeigt auch, wie gefährlich die Argentinier sind – selbst wenn sie das Spiel nicht so gestalten können, wie sie es sich vorstellen. Ein kleiner Moment, in dem ein Spieler all das, wozu er in der Lage ist, in eine einzige Aktion legt, kann dann eine Begegnung entscheiden. Das weiß auch José Pekerman: „Fußball“, dozierte er, „ist eine Kombination aus taktischer Disziplin, mentaler Stärke, Siegermentalität und den Möglichkeiten von Spielern in Schlüsselsituationen.“

Dem Trainer der Argentinier war noch eine Stunde nach Abpfiff die Anspannung anzusehen. Er sprach er von einem „ausgeglichenen Spiel“. Und dennoch bezeichnete er den Sieg seiner Mannschaft als verdient, denn einer seiner Spieler hatte eine dieser Schlüsselsituationen genutzt. Das hatte den Ausschlag gegeben für den Erfolg Argentiniens. Aber Pekerman hat auch gesehen, wie viele Fehler gerade diejenigen Spieler gemacht haben, auf denen sein System beruht. „Wir hatten Probleme“, gab er zu, „aber das lag am Gegner.“

In der Tat verstanden es die Mexikaner, das typisch argentinische Spiel mit Ballstafetten über unzählige Stationen gar nicht erst zuzulassen. Die Argentinier hatten genug damit zu tun, verlorene Bälle zurückzuerobern, für den Spielaufbau fehlte demzufolge die nötige Konzentration. Auch wenn Eckbälle oder Flanken hoch in den Strafraum gespielt wurden, sah die nicht unbedingt schnelle Innenverteidigung alles andere als sicher aus. Das dürfte Pekerman in der Vorbereitung auf das Viertelfinale gegen Deutschland am Freitag in Berlin noch beschäftigen.

Und so wollte er sich auch nicht lange über dem Sieg gegen Mexiko äußern. „Das ist so bei einer WM: Du gewinnst ein Spiel, und schon wartet ein noch härterer Gegner auf dich.“ Pekerman hat Respekt vor den Deutschen. Und weiß, dass sich sein Team steigern muss im Vergleich zum Auftritt gegen Mexiko. „Dieser Sieg wird uns als Team zusammenschweißen“, sagte er.

Dabei war es nicht der Abend der Teamspieler in Leipzig. Statt die Bälle zu verteilen und schnell weiterzuspielen, versuchten vor allem die Stürmer Javier Saviola und Hernan Crespo durch Einzelaktionen zu überzeugen. Carlos Tevez und Lionel Messi, die spät eingewechselt wurden, spielten dann noch eigensinniger. Das hat vor allem dann, wenn der von den argentinischen Fans im Stadion umjubelte Messi zum Tempodribbling angesetzt hat, durchaus gefährlich ausgesehen. Zu einer Torchance hat sein Engagement allerdings nicht geführt. Auch Messi fand keinen Weg durch die konzentriert arbeitende mexikanische Verteidigung, der es auch gelang, Spielmacher Riquelme immer weiter nach hinten zu drängen. Statt seine schnellen Flachpässe in die Spitze spielen zu können, musste er mit langen Bällen operieren. Und die kamen nur selten an. Torsten Frings wird viel Arbeit mit Riquelme haben, eine unlösbare Aufgabe liegt allerdings nicht vor ihm.

Die Mexikaner haben gezeigt, wie man gegen Argentinien verteidigen kann. Verloren haben sie trotzdem. Zum einen wegen Maxi Rodriguez, zum anderen weil ihnen das Durchsetzungsvermögen im Sturm fehlte. Miroslav Klose und Lukas Podolski dürften die argentinische Abwehr vor größere Probleme stellen. Auch wenn den Argentiniern das bewusst sein dürfte, sie gehen nach dem knappen Sieg in einem intensiven Spiel mit breiter Brust ins Viertelfinale. „Wir haben keine Angst vor Deutschland“, so Verteidiger Lionel Scaloni, „wir werden auflaufen, um zu gewinnen, so wie wir es immer tun.“ Gegen Mexiko wäre das beinahe nicht gelungen.