Der FC Augsburg und seine Stadt: Wir sind Augsburg und ihr nicht!
Augsburg bleibt ein weiteres Jahr in der 1. Bundesliga. Zeit für die Frage: Was bietet diese Stadt? Und wo liegt sie überhaupt? Eine Besichtigung.
AUGSBURG taz | Was Augsburg alles zu bieten hat. Männer mit Schnurrbärten und dem schlichten Autokennzeichen: „A“. Sie fahren Landrover durch enge Gassen. Das Bekleidungsgeschäft Scherer: ein Dirndl ab 89, ein Lederhosen-Set für 199 Euro. Bernhard Meuser, ein Mann der Kirche, der sich zur Verteidigung des Bischofs in einer Lokalzeitung zitieren lässt: „Katholiken, die eine andere Kirche wollen, sollen evangelisch werden.“
Das Geburtshaus von Bertolt Brecht, das, gut ausgeschildert, in einer Seitenstraße liegt, Auf dem Rain 7, in dessen Erdgeschoss Briefe einer Schulklasse an einer Wäscheleine klemmen: „Happy Birthday zum 114. Geburtstag wünscht dir Marina. Danke für deine Gedichte. Alles Gute“. Ein Stockwerk höher, das Schlafzimmer. Die Verse auf Leinwand gedruckt: An jenem Tag im blauen Mond September / Still unter einem jungen Pflaumenbaum / Da hielt ich sie, die stille bleiche Liebe / In meinem Arm wie einen holden Traum. Ein Stock drüber: eine Wohngemeinschaft.
Außerdem hat die Stadt eine Straßenbahn zu bieten, die an Spieltagen zu wackeln beginnt. Nicht beängstigend stark, aber sie wackelt. Einige Augsburger entschließen spontan, mit flacher Hand von innen auf die Scheiben zu trommeln: „Super Augschburrg, olé!“ Sie stellen das Trommeln auf halber Strecke ein. Die Schwierigkeit, den Ortsnamen zu rufen, wie es die Menschen tun, die hier leben: Augschburrg! Das Fluchartige der ersten Silbe, AUGSCH!, das rollende „r“ in der zweiten. Die bemerkenswerte Fähigkeit, gleichermaßen bayerisch zu sein und schwäbisch, für Unbeteiligte kaum vorstellbar.
Am Eingang vom Dom warnt ein Schild: Kein Weihwasser! Weihwasserbehälter gegenüber beim Südportal! Bietet sich die Frage, was passiert wäre, hätte man das falsche Wasser benutzt statt des Weihwassers am Südportal. Augsburg bietet die Gewissheit, dass es an einem Spieltag nichts anderes geben kann, worüber zu sprechen ist, als der FC Augsburg. Die Nachfrage: „Wie steht’s?“, während der Spiele, ob in der Konditorei oder im Bus.
Dann gibt es noch ein Fußballstadion am Stadtrand, das man auch hier Arena nennt. SGL-Arena, 30.000 Plätze, Anschluss an die Bundesstraße 17, ein Hersteller von Kohlenstoffprodukten hält die Namensrechte. Die Richtigkeit des Rufs, mit dem die heimischen Fans ihre Gäste begrüßen: „Wir sind Augsburg und ihr nicht.“ Richtig, da es im Grunde nur zwei Zustände gibt: Auf der einen Seite Augsburg. Auf der anderen Seite alles, was nicht Augsburg ist. Auf der einen Seite eine Stadt, die zwischen Ulm und München auf grünen Wiesen liegt, ein Dom, ein Bischof, ein Hauptbahnhof.
Der südbadische Reibelaut
Da ist beispielsweise Bernd Schuster, der hier geboren ist und gespielt hat und später Trainer von Real Madrid wurde. Durch „harrte Arbeit“, wie er sagt. Er rollt das „r“, wie man es in Spanien tut und auch in Augsburg, wie auch Armin Veh es tut, der Trainer von Eintracht Frankfurt, auch er geboren in Augsburg, auch er hat hier gespielt.
Ihre Sprache ist kernig, ihre Mienen ernst. Sie sehen nicht aus, als ob sie viel Spaß haben an ihrem Beruf, oder sie beherrschen es, ihre Freude sehr gut zu verstecken. Da ist Helmut Haller, Nationalspieler in den Sechzigern und einer der ersten deutschen Profis, die sich in der italienischen Liga durchsetzen konnten.
Die Bundesliga hatte bisher ausschließlich mit der anderen Seite der Welt zu tun, mit allem, was nicht Augsburg ist, bis der FC vor einem Jahr in die erste Liga aufstieg, eine Premiere in der Geschichte des Vereins, eine große Überraschung für Beobachter, eine noch größere Überraschung für Beobachter: Der FC Augsburg bleibt ein weiteres Jahr in der ersten Liga.
Es ist nicht die einzige Überraschung am Tabellenende in diesem Jahr, der SC Freiburg kämpfte sich in den vergangenen Monaten vom letzten Platz auf einen sicheren 12. vor. Der Trainer, Christian Streich, wurde Kult: Seine Ehrlichkeit bei Pressekonferenzen, der südbadische Reibelaut. Anders in Augsburg. Der Klassenerhalt: eine unauffällige Sensation. Der Trainer, Jos Luhukay, ein zurückhaltender Mann, hält seinen Blick gesenkt. Er ist ein guter Trainer.
Anbindung an die Autobahn 8
Am 11. März 2012 steht Jürgen Klopp, Trainer von Borussia Dortmund, der bald zum zweiten die deutsche Meisterschaft gewinnen wird, in den Katakomben der SGL-Arena und sagt: „Es war wahnsinnig schwer, der Gegner hat leidenschaftlich gekämpft.“ Der FC Augsburg hatte gerade mit eiserner Manndeckung 90 Minuten lang ein Tor des deutschen Meisters verhindert. Sosehr Jürgen Klopp auch versuchte, den Sieg seiner Mannschaft an der Seitenlinie herbeizutoben, es funktionierte nicht.
Am Tag darauf schreibt eine Augsburger Zeitung vom „besten 0:0 aller Zeiten“. Vielleicht entschied sich an diesem Tag, dass der FC Augsburg in der Liga bleiben sollte, in jedem Zweikampf, in jedem Lauf an der Seitenlinie war Kampf. Es sah nicht aus, als ob es Spaß machen würde, aber es funktionierte. Es folgt ein Sieg gegen Mainz, ein Unentschieden gegen Bremen, ein Sieg gegen Köln. Alles keine spektakulären Spiele. Vor allem: harte Arbeit.
Im Stadtkern Augsburgs gibt es, solange der Vorrat reicht, eine Sonderaktion: Norwegermütze nur 12,95 Euro, Bommelmütze nur 9,95 Euro, Fan-Schal Karo nur 12,95 Euro. Im „Banking Center“ beim Bahnhof hängt die Augsburger Allgemeine aus, der Sportteil verspricht alles über den FCA. An der Straßenbahn flattert eine Fahne: rot-grün-weiß. Die Fanclubs heißen: Schwaben United 07, Schwaben Power 07, Haunstetter Brunnenbachbiber. Nach München fährt man keine Stunde mit dem Zug. Wenn man sich dort einen Verein aussuchen soll, den man ablehnt, dann ist es der TSV 1860 München.
Was Augsburg zu bieten hat. Anbindung an die Autobahn 8, eine Universität mit sieben Fakultäten. Der Perlachturm, der sehr bayerisch aussieht. Eine Webcam auf dem Rathausplatz, deren Livebilder ins Internet übertragen werden. Einen Verein, dessen Namen man, wider Erwarten, nicht sofort vergessen muss.
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