■ Der Europarat nimmt Kroatien unter Bedingungen auf: Glaubwürdigkeit verloren
Franjo Tudjman hat im Grunde recht. Wenn Albanien und Rußland in den Europarat aufgenommen werden, warum dann nicht auch Kroatien? Die Frage wird der Europarat dem kroatischen Präsidenten wohl kaum schlüssig beantworten können.
Die Vorbehalte, die der Europarat bislang gegen die Aufnahme Kroatiens geltend gemacht hat, bestehen völlig zu Recht. Und hinfällig sind sie auch noch nicht. Weder gibt es in Kroatien eine wirkliche Pressefreiheit, noch werden die Rechte der serbischen Minderheit geachtet. Einen demokratischen Charakter kann dem pompös-totalitaristischen Gehabe des Präsidenten wirklich nicht nachgesagt werden, von der Vetternwirtschaft des Tudjman-Clans ganz zu schweigen. Und bis heute arbeitet Kroatien nicht mit dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag zusammen.
Um sich so galant wie möglich aus der Affäre zu ziehen, hat der Europarat der Aufnahme Kroatiens jetzt im Grundsatz zugestimmt, diese aber an die Bedingung geknüpft, daß Kroatien sich voll und ganz an das Dayton-Abkommen hält und die Wahlen in Bosnien im September diesen Jahres nicht in nationalistischer Absicht sabotiert. Dies ist scheinheilig.
Rußland führt Krieg gegen Tschetschenien, metzelt die Zivilbevölkerung nieder und wird in den Europarat aufgenommen. In Albanien werden die Wahlen von der Regierungspartei massiv gefälscht, die Opposition eingeschüchtert und verfolgt. Und der Europarat hält es nicht einmal für nötig, die mögliche Aussetzung der Mitgliedschaft dieser Länder überhaupt in Erwägung zu ziehen. Wenn der Europarat so offensichtlich mit zweierlei Maß mißt, dann gibt er damit dem selbstverliebten Möchtegern-Marschall aus Zagreb alle Argumente an die Hand, um gegen die „feindliche ausländische Einmischung“ in die innerkroatischen Angelegenheiten zu Felde zu ziehen.
Der Europarat verliert so nicht nur jede Glaubwürdigkeit. Er setzt auch seine gutgemeinte Unterstützung von Demokratie und Menschenrechten fahrlässig aufs Spiel. Und er erweist den oppositionellen Kräften in Albanien, Kroatien, Rußland oder anderswo einen Bärendienst. Mehr Rückgrat und mehr Geradlinigkeit sind gefragt, wenn der Europarat sich nicht zum Affen machen will. Georg Baltissen
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