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Archiv-Artikel

DAS UNGEHEUER IST WIEDER VON DER KETTE. EIN KOMMENTAR VON 1793 Der Erobrungskrieg

Wie sich der Liebende freut, wenn nun die Geliebte, der hohen Todeswog’ entflohn, wieder das Ufer betritt; Oft schon hatt’ er hinunter geschaut an dem Marmor des Strandes, Immer neuen Gram, Scheiter und Leichen gesehn; Endlich sinket sie ihm aus einem Nachen, der antreibt, An das schlagende Herz, siehet den lebenden! lebt! Oder wie die Mutter, die harrend und stumm an dem Thor lag Einer durchpesteten Stadt, welche den einzigen Sohn Mit zahllosen Sterbenden ihr, und Begrabenen einschloß, Und in der noch stets klagte das Todtengeläut, Wie sie sich freuet, wenn nun der rufende Jüngling herausstürzt, Und die Botschaft selbst, daß er entronnen sey, bringt. Wie der trübe, bange, der tieferschütterte Zweifler, (Lastende Jahre lang trof ihm die Wunde schon fort) Bey noch Einmal ergrifner, itzt festgehaltener Wagschal, Sehend das Übergewicht, sich der Unsterblichkeit freut!Also freut’ ich mich, daß ein großes, mächtiges Volk sich Nie Eroberungskrieg wieder zu kriegen entschloß; Und daß dieser Donner, durch sein Verstummen, den Donnern Anderer Völker, dereinst auch zu verstummen, gebot. Jetzo lag an der Kette das Ungeheuer, der Greuel Greuel! itzt war der Mensch über sich selber erhöht! Aber, weh uns! sie selbst, die das Unthier zähmten, vernichten Ihr hochheilig Gesetz, schlagen Erobererschlacht. Hast du Verwünschung, allein wie du nie vernahmst, so verwünsche! Diesem Gesetz glich keins! aber es sey auch kein Fluch Gleich dem schrecklichen, der die Hochverräther der Menschheit, Welche das hehre Gesetz übertraten, verflucht. Sprechet den Fluch mit aus, ihr blutigen Thränen, die jetzo Weint, wer voraussieht; einst, wen das Gesehene trift. Mir lebt nun die Geliebte nicht mehr: der einzige Sohn nicht! Und der Zweifler glaubt mir die Unsterblichkeit nicht!

FRIEDRICH GOTTLIEB KLOPSTOCK

Klopstock (1724–1803), der zunächst mit der Französischen Revolution sympathisierte und 1792 sogar Ehrenbürger der Republik wurde, distanzierte sich mit diesem Gedicht von militärischen Aggressionen im Namen der Menschenrechte