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Der Erfolg der Linkspartei im Westen13,3 Prozent in Hannover-Linden

Die Linkspartei feiert einen "großen Tag". Aber Oskar Lafontaines Dominanz und sein rigider Oppositionskurs stoßen im Osten auf Widerstand.

Selbst im Heimatlandkreis von Roland Koch 3,5 Prozent: Ein hessischer Genosse hebt die Siegesfaust. Bild: dpa

Manche Dinge ändern sich nie in dieser Partei, da können die Genossen den Westen erobern, wie sie wollen. Als der Vorstand der Linken am Montag in Berlin auf die Erfolge in Hessen und Niedersachsen anstößt, da tut er dies mit - Rotkäppchen-Sekt. Dem Ostprodukt schlechthin.

TOLERABEL

Derzeit wird für Hessen die Möglichkeit einer von der Linken tolerierten rot-grünen Minderheitsregierung diskutiert. Schon im Juni 1984 ließ einmal ein SPD-Ministerpräsident seine Regierung tolerieren: Nachdem Holger Börner ein Jahr lang nur eine geschäftsführende Regierung geführt hatte, lieh er sich die Stimmen der Grünen. Die waren 1982 erstmals in den Landtag eingezogen, lehnten es aber ab, mit der SPD zu regieren. Börner hatte im Bezug auf die Startbahn-Proteste getönt, Probleme mit diesen Demonstranten habe man "früher auf dem Bau mit der Dachlatte" gelöst.

1985 schloss die SPD-Hessen schließlich doch eine Koalition mit den Grünen, die erste bundesweit. Joschka Fischer ließ sich in Turnschuhen als Staatsminister für Umwelt und Energie vereidigen. GAE

Ansonsten ist "Westen" schon das Zauberwort dieses Tages. Dort, im Westen, so glaubt die Linkspartei, ist sie jetzt endlich angekommen, nach 18 Jahren vergeblicher Mühen. In manchen Satz schleicht sich da noch ein wenig Ungläubigkeit. "Es ist kaum zu fassen, dass es in der Bundesrepublik mit ihrem tief sitzenden militanten Antikommunismus nun endlich die Bereitschaft gibt, eine Partei links von der SPD zu wählen", sagt Gregor Gysi. Im ersten Wahlkampf der PDS, im Frühjahr 1990, ist Gysi noch als "Juden-Sau" beschimpft und seine Partei als "Stasiverein" bekämpft worden. Fast 20 Jahre und eine Fusion mit der WASG später sitzt die Linke in den Landtagen von Hessen und Niedersachsen. Das Fünfparteiensystem ist in der Bundesrepublik damit endgültig etabliert.

Lothar Bisky, der eine Parteichef, nennt das einen "Meilenstein". Für Oskar Lafontaine, den anderen Parteichef, ist es ein "großer Tag". Mit dem Erfolg liege die Partei "fast über Plan".

Die Ergebnisse vom Sonntag haben es ja auch wirklich in sich: 7,1 Prozent der Stimmen und 11 Landtagsmandate in Niedersachsen, 5,1 Prozent und 6 Mandate in Hessen. Dazu ein paar Einzelresultate und Trends, die selbst die Parteiführung überrascht haben. In einigen Städten und Wahlkreisen Niedersachsens erreichte die Linke sogar zweistellige Resultate: Göttingen 10,4 Prozent, Hannover-Linden 13,3, Oldenburg-Mitte 11,5 , Wilhelmshaven 11,3, Delmenhorst 10,2. In Hessen sieht es, auf etwas niedrigerem Niveau, ähnlich gut aus: Kassel-Stadt III 9,3 Prozent, Frankfurt am Main V 8,3, Darmstadt I 6,7, Marburg-Biedenkopf II 6,6. Selbst im Main-Taunus, dem Wahlkreis von Roland Koch, holte die Linke immerhin 3,5 Prozent.

Die Partei gewinnt damit wichtige Erkenntnisse über ihre Wähler. "Wir werden im Westen nicht mehr als Haufen von Verrückten und verschrobenen Altlinken abgetan", sagt der Bundestagsabgeordnete Jan Korte, der aus Niedersachsen stammt. Sowohl in Niedersachsen als auch in Hessen sind Wähler aller Parteien zur Linken übergelaufen: 27.000 bzw. 16.000 von der CDU, 79.000 bzw. 32.000 von der SPD, 31.000 bzw. 19.000 von den Grünen. Ihre stärksten Zugewinne macht die Linkspartei - neben der SPD - im Lager bisheriger Nichtwähler: 30.000 in Niedersachsen, 26.000 in Hessen.

Im Kern ist sie eine Partei der Arbeiter und Arbeitslosen. 87 Prozent wählen sie, weil sie "wenigstens die Probleme benennt", auch wenn sie "keine Lösungen bietet". 80 Prozent ihrer Wähler geben ihr die Stimme, um den anderen Parteien "einen Denkzettel zu verpassen". Im Westen ist die Linke momentan also nicht viel mehr als eine klassische Protestpartei.

Will sie mehr sein? Will sie zum Beispiel in Hessen in einer rot-rot-grünen Koalition mitregieren? Oder eine rot-grüne Minderheitsregierung tolerieren? Im Vorstand der Bundespartei, der an diesem Montag die Wahlkämpfer aus dem Westen zu Gast hat, spielen diese Fragen keine große Rolle. Noch am Sonntagabend wurde eine Sprachregelung für alle führenden Funktionäre ausgegeben: Der Ball liege jetzt im Feld der hessischen SPD, sie müsse ein Angebot zur Zusammenarbeit unterbreiten. "Unter bestimmten Bedingungen sind wir zur Zusammenarbeit bereit", sagt Lafontaine. "Unter bestimmten Bedingungen sind wir zur Zusammenarbeit bereit", sagt Willi van Ooyen, Spitzenkandidat der Hessen-Linken.

Das sagt sich auch deswegen so leicht dahin, weil die Linkspartei weiß, dass sie von der SPD-Spitzenfrau Andrea Ypsilanti wohl nicht gefragt werden wird. Wie es mit ihrem Willen und ihrer Fähigkeit zum Regieren aussieht - diese Frage wird die immer noch junge Linkspartei wohl erst 2009 beantworten müssen. In Thüringen und im Saarland finden Landtagswahlen statt. Die Linke schickt mit Bodo Ramelow und Oskar Lafontaine zwei Männer ins Rennen, die vorgeben, Ministerpräsident ihres Landes werden zu wollen. Im Saarland wird sich dann wohl zum ersten Mal zeigen, ob sich die "linke" Mehrheit von SPD, Grünen und Linkspartei auch in einer gemeinsamen Koalition zusammenfinden kann.

Bis dahin wird Lafontaine seinen rigiden Oppositionskurs weiterfahren. Schon jetzt weist er jede Bemerkung zur Regierungsfähigkeit der Linken mit der stets gleichlautenden Bemerkung zurück, dass sich zuerst die Politik der anderen ändern müsse.

Wie gereizt die Ost-Landesverbände auf Lafontaines Dominanz reagieren, zeigt ein bemerkenswerter Vorgang aus Brandenburg. Vor ein paar Tagen hat Lafontaine seine Parteifreundin Kerstin Kaiser, die Brandenburger Oppositionsführerin, telefonisch bedrängt, ihre Spitzenkandidatur für die Landtagswahl 2009 erst am zurückliegenden Sonntag bekanntzugeben. Wegen Kaisers Stasi-Verstrickungen fürchtete Lafontaine negative Auswirkungen für Hessen und Niedersachsen. Kaisers IM-Vergangenheit ist allerdings seit 15 Jahren bekannt.

Die Intervention Lafontaines ärgert die Ost-Genossen. "Das zeigt die kulturellen Unterschiede zwischen Ost und West in der Linken", sagt Ralf Christoffers, früherer Brandenburger Parteichef. "Die Auseinandersetzung darüber beginnt gerade erst."

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