: Der Didakt
Es sind diese Sonntage, an denen Jochen Bär spürt, warum er Germanist geworden ist. Sonntage wie jener, an dem er nach Lauch suchte. Eine junge Frau hatte ihn über Facebook kontaktiert: Die Leute beschimpften sich neuerdings mit dem Begriff „Lauch“, schrieb sie. Wie könne denn eine Gemüsesorte zu einem Schimpfwort werden?
Bär ist 45 Jahre alt und Professor an der Universität Vechta. Seit Januar ist er Ansprechpartner für genau solche Fälle. Mit einem fünfköpfigen Team bietet er an vier Tagen in der Woche Telefonberatung an, zu deutscher Rechtschreibung, Grammatik und Wortherkunft. Kostenlose Sprachauskunft für Anrufer, die meist zwischen 40 und 70 Jahre alt sind. Und seit einer Woche auch für etwas jüngere Fragesteller – im Internet. „Es ist mein Anliegen, möglichst viele Menschen für die deutsche Sprache zu interessieren“, sagt Bär. Germanistik sei eben kein Fach, bei dem man den rauchenden Inhalt von Reagenzgläsern zusammenschütten könne. Über Germanistik muss man sprechen.
Professor Bär ist keiner von denen, die sich über jedes neue eingedeutschte Wort im Duden echauffieren. Bär findet: „Wir können die Sprachentwicklung nicht aufhalten.“ Das sagte er auch einer Mutter, die sich kürzlich mit einem Hilfegesuch an das Sprachtelefon wandte. Ihre Tochter hatte in der Grundschule eine Strafarbeit aufgebrummt bekommen, weil sie gerufen hatte: „Ist ja geil!“ Nicht akzeptabel, ist Bärs wissenschaftliche Einschätzung: Das Wort „geil“ habe bereits in den Achtzigern eine neue, harmlose Bedeutung bekommen.
Langfristig will Bär vielleicht Gelder aus der Wirtschaft einwerben, um seine Angebot auszubauen. Er ist zuversichtlich. Denn auch auf die knifflige Frage mit dem „Lauch“ hatte er nach eineinhalb Stunden Internetrecherche zwar keine abschließende Antwort, aber doch einen Anfangsverdacht: Lauch sei offensichtlich ein bleiches Gemüse, schreibt er, „ebenso wie der jugendsprachliche Ausdruck ‚Lauch‘ einen blassen Typen meint“. KLU