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■ Der DGB muß in die wirkliche Reformdebatte kommenFrau geht vor!

Der Tod Hans-Werner Meyers bringt den DGB in Bedrängnis. Meyer sollte seine Organisation durch eine Reformphase begleiten, die mit dem Bundeskongreß im Juni offiziell ausgerufen wird. Es holt die Gewerkschaftsspitze ein, daß sie sich zu lange davor drückte. Die Kandidatur Meyers zum Vorsitz war die feinste Sache nicht. Vom Kandidat war niemand überzeugt, nur gab es keinen Tolerableren. Noch immer ist der DGB der wedelnde Schwanz der großen Einzelgewerkschaften wie IG Metall, IG Chemie, ÖTV oder HBV. Meyer wollte Vorsitzender bleiben und hatte sich dort rückversichert. Alle nickten sie im DGB-Bundesvorstand seine Kandidatur ab. Mit Demokratie und Reform hatte das nichts zu tun.

Die Gewerkschaften sind in einer schwierigen Verfassung: keine Vision, keine Ideen für zukunftsfähige Politik, keine Lebendigkeit und Kraft, kein Personal mit Ausstrahlung, kein Geld. Das Ende der alten Arbeiterbewegung wird allenfalls im stillen Kämmerlein erahnt. Als Pragmatismus wird das Kungeln mit den Herrschenden ausgegeben. Man kultiviert Lagerdenken und Feindbilder, statt Konflikte auszutragen. Reflexartig wird auf das gehauen, was eine neue Herausforderung darstellt – Frauen, Jugendliche, „Ausgeflippte“, Niedriglohnarbeiter.

Wenn der DGB gestärkt werden soll, wovon allenthalben die Rede ist, und wenn Reformdebatte und Reform ernst gemeint sind, dann müssen die Gewerkschaften das jetzt bei der Nachfolge Meyers unter Beweis stellen. Paradoxerweise schließt dies die Bereitschaft ein, sich auf Krise und Konflikt einzulassen und also „Durcheinander“ und Unsicherheit in Kauf zu nehmen. Ohne dies wird keine neue Zukunft zu haben sein. Wenn die Organisationsriesen nicht eines Tages in sich zusammenkrachen wollen, so wäre freiwillig in die Tiefe zu schauen. Das geschah bislang – wie bei VW – nur gezwungenermaßen.

Der DGB sollte nun auf offene Kandidaten- und Kandidatinnen-Suche gehen. Auch Unbekannte kommen in Betracht. Ein Wettbewerb mehrerer Frauen und Männer auf der Basis programmatischer Ideen für eine DGB-Reform wäre mehr als wünschenswert. Jetzt muß ausgelotet werden, welche Reserven und Talente die Gewerkschaften haben. Diese Auseinandersetzung könnte gleich der erste wirkliche Funken sein, der eine allgemeine Reformdebatte entzündet. Es braucht nicht mehr als die Toleranz für ein Ergebnis, das kaum schlechter werden kann als die Verlängerung des alten.

Auf jeden Fall wird jemand gebraucht, der nicht Konvention, sondern Wandel und Erneuerung zum Ausdruck bringt. Und das ist nach Lage der Dinge zuerst eine Kandidatin. Eine Frau wäre ein Signal der Öffnung – nicht zuletzt an Frauen, Angestellte, Erwerbslose, Familienarbeiterinnen, Jugendliche, Alte und Immigranten. Als Gewerkschafterin wäre sie zugleich Bezugspunkt für die Lohnabhängigen und ihre Nöte insgesamt. Sie bündelt symbolisch die Bereitschaft, die Spaltungen und sozialen Ungerechtigkeiten der Gesellschaft von heute ins Visier zu nehmen. Das Wagnis müßte hier nicht einmal besonders hoch sein. Mit Monika Wulf-Mathies und Ursula Engelen- Kefer existieren zwei profilierte und kompetente Frauen. Mechtild Jansen

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