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Archiv-Artikel

Der Chemie-Jadebusen

Der britische Chemiekonzern Ineos erwägt Erweiterung seines Standorts in Wilhelmshaven. Projektstudie geplant

Von ksc

Lange mochten viele die Story vom boomenden Chemiestandort am Jadebusen nicht glauben. Doch als Niedersachsens CDU-Ministerpräsident Christian Wulff gestern mal wieder nichts Konkretes zur K-Frage sagte, sondern lieber „eine der weltweit größten Investitionen im Chemiebereich“ ankündigte, schien das Großprojekt in Wilhelmshaven zumindest ein Stück näher gerückt.

Das Land habe gerade mit Ineos, der zweitgrößten Chemiefirma Großbritanniens, eine Projektstudie über den Bau von neuen Produktionsanlagen für Kunststoffe und Farben sowie Pipelines unterzeichnet, sagte Wulff. Die Studie koste allein bis zu 20 Millionen Euro. Wulff: „So viel investiert man nicht, wenn man das Projekt nicht wirklich realisieren will.“ Wenn die Untersuchung erfolgreich abgeschlossen sei, könne im kommenden Jahr mit dem Bau der Anlagen begonnen werden.

Nördlich des ebenfalls geplanten Tiefwasserhafens will Ineos laut Wulff bis zum Jahr 2008 fast eine Milliarde Euro für eine Chlorelektrolyse-Anlage und einen Ethan-Cracker investieren, davon etwa 95 Millionen für den Bau einer Ethylen-Pipeline ins nordrhein-westfälische Marl. Folgeinvestitionen in Höhe von fast 500 Millionen Euro seien wahrscheinlich. Unter anderem ist in der Region ein Kraft-Wärme-Kopplungskraftwerk zur Energieversorgung nötig.

Mit der Investition werde Ineos am Standort Wilhelmshaven 360 vorhandene Arbeitsplätze „sichern“ und 300 neue schaffen, jubelte Wulff weiter. Die Entscheidung für Europa bezeichnete er als Ausnahme. „Normalerweise werden solche Anlagen im arabischen Raum gebaut.“

Bei vielen in Wilhelmshaven dürfte die Euphorie groß sein. Immerhin ist Ineos neben der Marine einer der größten Arbeitgeber, die Entscheidung zudem seit langem umstritten. Kritiker hatten befürchtet, die Engländer würden mit ihren Plänen nur versuchen, Fördergelder für den Pipelinebau loszueisen und den bestehenden, extrem stromfressenden Betrieb von der Umlage zur Förderung erneuerbarer Energien zu befreien. Auch eine Schließung der Chlor-Fabrik von Ineos war nicht ausgeschlossen worden. Davon war gestern in Hannover natürlich nicht die Rede. Stattdessen wollte Wirtschaftsminister Walter Hirche die Höhe der staatlichen Förderung nicht beziffern. Der FDP-Mann betonte lieber, das Projekt werde die „jahrhundertlange Isolation“ der strukturschwachen Region im Nordwesten beenden. ksc