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■ Der Bundestag segnete den Bundesverkehrswegeplan abAlles verkehr(t)

Nur wenigen Politikern ist es in der Geschichte der Bundesrepublik gelungen, in so kurzer Zeit so gemeingefährliche Wirkungen zu erzielen wie dem ehemaligen Bundesverkehrsminister Günther Krause. Innerhalb von drei Jahren exekutierte der vormalige SED-Huldiger nicht nur die Einheit als Annexion, er bescherte dem neuen Deutschland auch den Bundesverkehrswegeplan, der gestern in Zweiter Lesung vom Bundestag verabschiedet wurde. Dieser 17 Aktenordner füllende und bis zum Jahr 2005 reichende Plan stellt mit 11.600 Kilometern an neuen oder verbesserten Fernstraßen und Autobahnen das größte Straßenbauprogramm der Nachkriegsgeschichte dar. Da er zudem Projekte wie Staustufen in der Saale und Elbe sowie den Ausbau der Havel zu einem Wasser- Highway vorsieht, ist er ein Alptraum für alle Ökologen und Umweltschützerinnen.

Nahezu alle von den Befürwortern des gigantomanischen Betonierungsprogramms vorgebrachten Argumente sind plumpe Propagandalügen. Der Plan dient nur sehr bedingt der Angleichung der Lebensverhältnisse – sprich der Schaffung autogerechter Landschaften – im unterentwickelten Osten, denn zwei Drittel der Projekte sind in der alten BRD angesiedelt. Die konjunkturellen und beschäftigungspolitischen Impulse ließen sich auch mit dem überfälligen Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel realisieren.

Fast alle SPD-Abgeordneten stimmten gestern im Bundestag brav mit der Regierung. Dieses antiökologische Handeln wider besseres Wissen läßt sich zum einen als glänzend bestandener Eignungstest für die Große Koalition werten, die uns in der nächsten Legislaturperiode droht. Zum anderen illustriert es einmal mehr den scheinbar unbesiegbaren Konsens der Unvernunft, wenn es um den Fetisch Automobil geht.

Der Stau setzt sich als Lebensform und Symbol dieser Gesellschaft durch; jeden Sommer schnürt uns das Bodenozon die Kehle fester zu; alle seriösen Verkehrsexperten erklären, daß mehr Straßen nur mehr Autos nach sich ziehen; die neuen Autobahnen und Straßen torpedieren alle Pläne, die für die schleichende Klimakatastrophe verantwortlichen CO2- Emissionen zu reduzieren. Dies alles ficht unsere teuren VolksvertreterInnen nicht an. Offenbar sind sie von einer kollektiven Lust an der Selbstzerstörung und einer Todessehnsucht beseelt, der nur noch mit Galgenhumor zu begegnen ist.

Vor über fünfzehn Jahren hat der Karikaturist Murschetz eine prophetische Zeichnung angefertigt. Er kritzelte einen Bauarbeiter, der sich anschickt, mit seiner Schaufel ein letztes Blümlein zu zerschmettern, das versehentlich in einem von Straßen überzogenen Ödland überlebt hat. Neben dem beherzten Vollstrecker der deutschen Auto-Kratie kündet ein Schild: „Hier betoniert die Bundesrepublik Deutschland den Rest derselben.“ Michael Sontheimer

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