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■ Der Bundestag ratifizierte die Maastricht-VerträgeWer will noch nach Europa?

„Maastricht ist tot“. Diese Parole geistert durch Europa, seit das französische Referendum nur um Haaresbreite an einer Ablehnung der Verträge von Maastricht vorbeischrammte. Seitdem findet auch in der Bundesrepublik die These Zuspruch, daß das Ziel bereits verfehlt sei, bevor der Startschuß richtig gefallen ist. Auch die gestrige Ratifizierung im Bundestag wird an dieser Stimmung erst einmal nicht viel ändern.

Das liegt sowohl am Inhalt der Verträge als auch an ihrem Zustandekommen. Das Schicksal der Verträge zeigt, daß Maastricht – hoffentlich – der Endpunkt einer Politik ist, bei der man glaubte, eine europäische Integration quasi als geheime Kommandosache der beteiligten Regierungen betreiben zu können. Dazu kommt, daß auch das inhaltliche Ergebnis nicht überzeugen kann. Eine europäische Währung, ohne wenigstens den Rahmen einer politischen Union vor Augen zu haben, wird keinen Bestand haben. Ein Europa, das weit hinter die minimalen Standards einer repräsentativen Demokratie zurückfällt, ist zweifellos ein Anachronismus. Trotzdem sind die Fragen rund um Maastricht falsch gestellt. Zur Zeit gibt es in Europa eine üble Allianz zwischen einer immer stärker werdenden Rechten, die eine europäische Integration aus rein nationalistischen Motiven ablehnt, und wohlmeinenden Maastricht-Kritikern, die nicht gegen das Ziel, sondern den Weg sind. Diese Koalition gehört als erstes gesprengt. Angesichts der Entwicklung der letzten zwei, drei Jahre steht zuerst eine Antwort auf die grundsätzliche Frage aus, wer denn noch nach Europa will. Diese Diskussion gehört in die Gesellschaft. Es geht darum, ob eine Mehrheit in Europa ihre Zukunft eher in den bestehenden Nationalstaaten oder unter einem supranationalen Dach sieht. Dies ist die eigentliche Streitfrage, weil sich daran entscheidet, ob die nationalen Regierungen gezwungen werden können, echten Machtverzicht zu leisten, und das europäischem Parlament mehr Kompetenzen erhält.

Gerade angesichts der Entwicklung in Deutschland sollte die Entscheidung für die hiesige Linke klar sein: Europa ist zwar keine Immunisierung gegen Rassismus und Großmacht-Ambitionen, würde aber immerhin dafür sorgen, daß ethnische Kriterien nicht wieder zur Staatsdoktrin werden und die Außenpolitik der Bundesrepublik von den europäischen Nachbarn mitentschieden wird. Was so bescheiden klingt, wäre tatsächlich die entscheidende Konsequenz dieses mörderischen Jahrhunderts. Noch ist die CDU dank Kohl bereit, nationale Souveränitätsverzichte zugunsten Europas hinzunehmen. Scheitert Maastricht, steht zu befürchten, daß ein zweiter Anlauf erst gar nicht mehr stattfindet. Das wäre kein Sieg für die europäische Demokratie, sondern ein Triumph für die Schönhubers, Haiders, Le Pens und wie sie sonst noch alle heißen. Jürgen Gottschlich

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