: Der Bruch ins Eis
Trotz behördlicher Warnungen muss die Feuerwehr immer wieder Menschen aus vereisten Seen und Flüssen retten. Das will geübt sein
Von KAI VON APPEN
Die stündlichen Warnmeldungen bei den Radio-Nachrichten sind eigentlich eindeutig: „Die Umweltbehörde warnt dringend vor dem Betreten des Eises auf Hamburger Gewässern“, heisst es da. Denn: „Das Eis auf Seen und Flüssen ist noch sehr dünn und brüchig. Es besteht Lebensgefahr.“ Trotzdem gibt es immer wieder sich für oberschlau haltende Menschen, die meinen, die Gefahr im Griff zu haben und ihrer Abenteuerlust nachkommen zu müssen. Resultat: Das Eis bricht und sie versinken im kalten Nass.
„Wir haben jedes Jahr eine Reihe derartiger Einsätze, bei denen Menschen, aber auch Tiere, aus solchen bedrohlichen Lagen gerettet werden müssen“, berichtet Michael Krupski von der Feuerwehr Hamburg. „Im Ernstfall entscheiden wenige Augenblicke über Leben und Tod.“
Daher muss im Notfall jeder Handgriff der staatlichen Retter sitzen – auch bei klirrender Kälte. Deshalb übte die Hamburger Feuerwehr gestern an der Alster eine Eisrettung. Und die sieht in der Regel so aus: Nach Eintreffen der Feuerwehr wird flugs ein Schlauchboot „zu Eis“ gelassen. Parallel kommen zwei Leitern zum Einsatz, die einerseits der Fortbewegung dienen, andererseits der Eigensicherung, damit die Helfer nicht ebenfalls in das Eis einbrechen. Müh- und langsam arbeiten sich die Retter Stück für Stück zur Person im Eis vor, während Kollegen am Ufer den Einsatztrupp durch Seile absichern.
Inzwischen sollte auch der Polizeihubschrauber „Libelle“ eingetroffen sein, der die Rettungsaktion aus der Luft begleitet. Ist die unterkühlte Person aus dem eisigen Wasser gezogen und ins Schlauchboot gehievt, ziehen die Feuerwehrleute an den Seilen das Boot ans Ufer zurück. Unverzüglich beginnt dann die Erstversorgung durch Notärzte und Sanitäter.
Krupski mahnt: Schon wer Personen auf Gewässern sieht, die zwar vereist aber wegen Einbruchgefahr nicht freigegeben sind, sollte Feuerwehr und Polizei alarmieren. Denn ist jemand erstmal eingebrochen, geht es um Sekunden. „Im eiskalten Wasser wird der Körper 23 mal schneller unterkühlt als in kalter Luft“, berichtet Krupski. „In der Regel tritt schnell ein Schockzustand ein.“
Wichtig sei daher, die Person zu beruhigen. „Jede zusätzliche Bewegung kostet Energie“, sagt Krupski, „da sich der Kreislauf sofort auf die Situation einstellt und sich verkleinert, um die inneren Organe zu versorgen.“ Die Folge: Das Blut werde aus Armen und Beinen abgezogen und zur Versorgung in den inneren kleineren Kreislauf hineingepumpt. Krupski: „Gerade das Strampeln im Wasser lässt die Körpertemperatur weiter sinken.“
Es klingt makaber, doch kalte Temperaturen haben auch einen Vorteil. „Die Erfolgsquote bei der Reanimation ist bei Kälte größer, da der Kreislauf auf Sparflamme geschaltet hat“, schildert Krupski Erfahrungen der Feuerwehr-Sanitäter. Während im Sommer die Reanimation eines Ertrunkenen schon nach zwei Minuten vergeblich sein kann, habe es bei Kälte noch nach zehn Minuten erfolgreiche Kreislauf-Reanimationen gegeben. „Wichtig dabei ist, den Körper nicht schnell, sondern langsam wieder auf Temperatur zu bringen“, sagt Krupski. Dafür habe die Feuerwehr eigene Rettungs- und Isolierfolien, so dass die Temperatur der unterkühlten Person nur behutsam steigt.