: Der Blick von innen und außen
Beide schauen sie auf die Welt des Stuttgarter Balletts, doch sie schauen aus verschiedenen Perspektiven. Der eine sieht sie mit den Augen eines Tänzers, der zur Kamera greift, der andere hat mit dem Auge des Fotoreporters auch den Schweiß hinter der Schönheit im Blick. Mehr Fotos mit intimen Momenten und von der schweren Leichtigkeit des Balletts finden sich in der Kontext-Fotogalerie
Fotos von Sébastien Galtier und Andreas Langen Text: Susanne Stiefel
Der Tänzer steht mittendrin, als einer von ihnen, und er fängt sie live ein: im Flug, im Lauf oder am Schminktisch. In den Wartephasen zwischen zwei Auftritten etwa, diesem Dazwischen am Schminktisch, einer Art Standby-Modus, in der Leere des Augenblicks oder bei den Proben. Sébastien Galtier ist glücklich mit seinem Ambiente. „Ich habe hier alles, was ich brauche“, sagt der tanzende Fotograf: „Die Kulisse. Die Models. Die Kleider.“
Seit 2002 tanzt der 28-Jährige im Corps de Ballet in Stuttgart, und genauso lange fotografiert er seine Kollegen und Kolleginnen schon. Er inszeniert Shootings hinter den Kulissen ebenso, wie er Szenen auf der Bühne einfängt. Und er setzt in seinen Tänzer-Porträts auch die Grande Dame des Stuttgarter Balletts in Szene: Marcia Haydée. Es sind intime Momente, wie sie nur ein Insider erleben kann. „Ich mag Ästhetik“, sagt der Sohn einer Malerin und eines Kochs. „Das muss nicht Schönheit, das kann auch Trash sein.“ Noch fünf Jahre möchte der gebürtige Franzose tanzen, in der neuen Spielzeit allerdings nicht mehr in Stuttgart, sondern in Amsterdam. Danach will er das Trikot an den Nagel hängen und es mit der Fotografie versuchen. Ins diesjährige Jahrbuch des Stuttgarter Balletts hat es der Tänzer mit der Kamera schon geschafft.
Der Fotograf Andreas Langen hat mit seiner Kamera von außen hinter die Kulissen geschaut. Er begleitete Sébastien Galtier ins morgendliche Training im Professor-Doll-Saal im Stuttgarter Ballett. Er fing die Härte des Trainings ein, die Dehnungen bis zur Schmerzgrenze, den Schweiß der Anstrengung, unangestrengt zu wirken, die Mühen der Schwerelosigkeit. Für den Fotografen der Fotogemeinschaft Arge Lola war es nicht das erste Zusammentreffen mit der Welt des Balletts. Mit seinem Kollegen Kai Loges hat er von der Pressesprecherin über die Klavierspieler bis zu den Tänzerinnen und Tänzern schon alle Gesichter des Stuttgarter Balletts porträtiert.
„Ich habe großen Respekt vor den Tänzern“, sagt der 47-Jährige, „mir imponiert diese Kombination aus extremer Härte gegen sich selbst und Sensibilität bis in die Fingerspitzen.“ Beim Termin im Ballett-Probensaal war es Andreas Langen wichtig, das Perfektionsstreben einzufangen, den Narzissmus, den Schweiß. Und er wollte dabei ausdrücklich einen Tänzer aus dem Corps de Ballet beobachten, einen, der nicht in der ersten Reihe steht. Ihn wollte er porträtieren als einen Künstler, „der seinen Körper zur lebendigen Skulptur macht“.
Die Bilder des Tänzers Galtier hält Langen, der an diversen Hochschulen Fotografie lehrt, für „professionell gemachte Inszenierungen, die auch in der ,Vogue‘ stehen könnten“. Andreas Langen hingegen ist kein Modefotograf. Sein Blick auf die Ballettwelt ist ein anderer. Der Fotoprofi will in seiner fotografischen Begleitung einer Ballettprobe die Anstrengung und die Härte dokumentieren, die für die Leichtigkeit des Tanzes notwendig sind.
Wie sieht die Ballettwelt wirklich aus? Vielleicht kommt der scharfe Blick von außen zusammen mit dem intimen Blick von innen der Wahrheit am nächsten.