: Der Auszug der Ägypter … (2)
Wenn Saad im Garten Nil spielt – und übersieht, dass nicht alle Blumen Seerosen sind
Unlängst schilderte ich an dieser Stelle, wieso die Ägypter dereinst auszogen, in der arabischen Welt ihr Glück und vor allem Geld zu suchen. Dabei kam ich unweigerlich auf Saad zu sprechen, den Ägypter, der als „Haaris“-Wart auch für das Haus zuständig ist, in dem ich in Jordanien mit meiner Familie wohne. Wenn Saad also wieder einmal in unserem Garten Nil spielt – und übersieht, dass nicht alle Blumen Seerosen sind –, singe ich lauthals „Sexy Sady, what have you done? – You made a fool of everyone …“ Da ich dieses Lied nicht ins Arabische übersetzen kann und Saad ebenso wenig des Englischen mächtig ist, und die Beatles sowieso nicht kennt, antwortet er stets mit einem Lachen. Dieselbe Reaktion folgt, wenn ich Haaris Saad morgens erniedrige, indem ich ihm zurufe: „Haari, fahr schon mal den Wagen vor!“
„Sexy Sady Dirty Haari“ – meine unbemerkte Rache als Dankeschön dafür, dass Saad unseren Familiengarten trotz allem zu einem der schönsten Ammans gemacht hat.
Saad schippschippt und schlappschlappt wie viele Ägypter auf dem „Egyptian way of life“: Unbeschwert, in gewisser Weise erfolgreich und im Vertrauen darauf, dass unser Arbeitsverhältnis so lange hält wie die Pyramiden: Mehr als 5.000 Jahre und somit fast schon ewig.
Anthropologen führen dieses Verhalten, das nicht allein Saad, sondern vielen Ägyptern eigen ist, auf die so genannte „Nil“-Sozialisation zurück; die „Nicht-immer-laborieren“-Prägung: In der Zeit vor dem Bau des Assuan-Staudammes schwappte der Nil alle Jahre wieder im Herbst über die Ufer. Mit der Wasserschwemme kamen Düngeschlämme. Und beides zusammen sicherte die nächste Ernte – ohne viel menschliches Dazutun. Und weil am Ende das Fladenbrot immer auf den Tisch kam, weist die Mentalität der Ägypter einen fest verankerten Grundoptimismus auf, der die Ägypter per se zu einem fröhlichen Volk macht.
Deshalb sind sie in der arabischen Welt beliebt, was wohl ein Grund dafür sein dürfte, dass man sich in vielen Ländern auf sie eingestellt hat. In Jordanien etwa bietet die Post drei Arten von Briefkästen. Die zwei international bekannten für Inlands- und Auslandsschreiben. Und dazu noch Briefkästen für Papyrusrollen in Richtung Ägypten.
Auch in dem arabischen Dialekt, den die Jordanier sprechen, werden die Ägypter und ihr Land gewürdigt. Misr, die arabische Bezeichnung für Ägypten, ertönt in den unterschiedlichsten Varianten: So wissen die Jordanier beispielsweise, dass bei ihnen die Masri, wie sie mittlerweile ausnahmslos alle Arbeiter nennen, unter schwierigen Bedingungen wohnen; unter zuruuf qahira – zu Deutsch „Kairener Umständen“. Und die herrschen sicher nicht nur in Hay al-Masarwe. Das „Viertel der Ägypter“ in Amman gilt als eines der Ärmsten in der jordanischen Hauptstadt. Für bessere Wohnungen fehlen den Gastarbeitern aus dem Nachbarland aber schlichtweg die Penunzen, oder wie die Jordanier sagen: masaari.
Dieser Begriff für Geld hat nichts mit den Ägyptern zu tun, die heute in Jordanien schuften. Er stammt aus der Zeit, da die Jordanier noch nach Ägypten gingen, um dort masaari zu machen; damals, als Ägypten noch reicher und Jordanien ärmer war und die Untertanen des Königs deshalb nur allzu gerne dem Ruf Gamal Abdel-Nassers nach einem Arabistan ohne Grenzen folgten, um von der gesamtarabischen Brüderlichkeit zu profitieren.
Ich übrigens zähle zu den glühenden Anhängern der Misirisierung der Welt: Meine kleine Tochter ist eine ganze Viertelägypterin. Darauf gebe ich mein kalem inglisi – das Ehrenwort eines englischen Gentlemans – und kein gegenteiliges kalem masri. BJÖRN BLASCHKE