■ Der Ausnahmezustand im südafrikanischen Natal: Jetzt ist das Militär am Zuge
Ist das nun der Bürgerkrieg? Seit 1990 gab es in Südafrika keinen Ausnahmezustand mehr; die damit verbundenen Vollmachten für Armee und Polizei waren immer Element der politischen Unterdrückung gewesen. Nun sind es noch vier Wochen, bevor zum ersten Mal in Südafrika freie und allgemeine Wahlen stattfinden, und wieder gibt es Ausnahmezustand.
Erst einmal ist das eine Chance für Befriedung. Denn es geht darum, ob auch die Bewohner Natals wählen gehen dürfen oder nicht. Die Zulu-Führer um Mangosuthu Buthelezi in der „Inkatha-Freiheitspartei“ wollen sie daran hindern und behaupten, das Abhalten freier und allgemeiner Wahlen mit der nachfolgenden Einsetzung einer gesamtsüdafrikanischen Mehrheitsregierung sei mit dem Selbstbestimmungsrecht des Zulu-Volkes unvereinbar. Zur besseren Darstellung haben sie bereits ein unabhängiges Zulu- Königreich ausgerufen – mit dem Hintergedanken einer späteren Sezession. Doch Buthelezi mag nach Kräften versuchen, seinen Kampf gegen Wahlen als Kampf seines Volkes für Selbstbestimmung darzustellen – in Wahrheit geht es ihm und seinen Mitstreitern um die Bewahrung einer traditionellen Feudalordnung, die ihnen erhebliche Pfründe verschafft und die sie mit aller Macht in ein demokratisches Südafrika hinüberretten wollen. Weil immer mehr Zulus mit dieser Ordnung nichts mehr am Hut haben, rettete sich Inkatha schon vor Wochen in den Wahlboykott, in den jetzt so viele Bewohner Natals wie möglich hineingezwungen werden sollen. Damit soll nun Schluß sein. Die Regierung de Klerk hat mit der Verhängung des Ausnahmezustands zumindest die Möglichkeit eröffnet, daß ANC und südafrikanische Armee – in ihrem Zusammenspiel das politische Fundament des „Neuen Südafrika“ – den Wandel auch in die hintersten Ecken KwaZulus tragen.
Das weiß auch Inkatha. Aber was nun weiter passiert, hängt nicht allein von Inkatha ab. Wie wiederholt belegt worden ist, stecken wichtige Teile des südafrikanischen Sicherheitsapparates mit Inkatha unter einer Decke. Und der Ausnahmezustand gibt de Klerk die Möglichkeit, nicht nur gegen Inkatha vorzugehen, sondern auch gegen Massenaktionen des ANC, wie das ja in der Zeit des ersten Ausnahmezustands 1985–1990 die Regel war. Alte Gewohnheiten sterben langsam. Die Gefahr ist nicht gebannt, daß der südafrikanische Staatsapparat in einem Trägheitsreflex seine Rolle eines „Befrieders“ doch noch dazu einsetzt, um zumindest einige Inkatha-Positionen zu verteidigen. Er hat hier mehr zu verlieren als zuletzt in Bophuthatswana, wo der Homeland-Diktator auf südafrikanischen Schutz nicht zählen konnte. Er muß sich also entscheiden. In diesem Sinne ist der Ausnahmezustand in Natal nicht nur eine Chance für Südafrikas Demokratie. Er ist die Stunde der Wahrheit. Dominic Johnson
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