: Der Augenzeuge wird nicht befragt
■ Altonaer Schießerei: Passant tot, Täter flüchtig – Zeuge uninteressant?
Der 39jährige Kaufmann Bernd H., der am Montag abend in der Altonaer Fußgängerzone niedergeschossen wurde, ist gestern nachmittag seinen Verletzungen erlegen. H. hatte einen verdächtigen „Südländer“ festgehalten und war daraufhin von dessen Komplizen niedergeschossen worden, beide konnten flüchten.
Noch am Abend nahmen Polizisten der drei Kilometer entfernten Davidwache einen Mann fest, „auf den eine Personenbeschreibung paßte“, so Chefermittler Michael Daleki vom Landeskriminalamt (LKA). Der 23jährige soll kurz zuvor versucht haben, bei McDonalds am Altonaer Bahnhof einen 18jährigen „polizeibekannten Albaner“ zu erschießen. Das Opfer liegt mit schweren Verletzungen im Krankenhaus. Die „ganze Nacht durch“, so Polizeipressesprecher Werner Jantosch gestern zur taz, habe die Mordkommission Zeugen vernommen. Trotzdem ließ sich der Tatverdacht gegen den Verhafteten nicht erhärten. Auch die genaue Zahl der Tatbeteiligten war gestern abend noch unklar.
Einen Meter neben dem erschossenen Bernd H. hatte Peter M. (Name von der Redaktion geändert); der Mord geschah direkt vor seinen Augen. An seiner Zeugenaussage haben die Ermittler bislang jedoch wenig Interesse gezeigt. Gegenüber der taz erklärte M. gestern, er sei sofort nach der Tat zur nächstgelegenen Polizeiwache Mörkenstraße gegangen. Dem diensthabenden Beamten habe er eine Pistole auf den Tresen gelegt, die neben dem Kaufmann auf dem Boden gelegen habe. Doch der Beamte habe sich wenig beeindruckt gezeigt. Mitten der anschließenden – laut M. „nicht besonders intensiven“ – Vernehmung habe er noch ein privates Telefonat geführt.
Acht weitere Privatpersonen befanden sich dabei im Raum, eine zeigte gerade einen Autoeinbruch an. „Jeder konnte mithören“, so Peter M. schockiert, wie Polizisten seinen Namen lauthals durch den Raum gerufen hätten. Deshalb habe er schließlich die Wache unter Protest verlassen.
Am Abend sei er von der Mordkommission noch einmal angerufen worden. Die Ermittler fragten aber nicht nach einer genauen Personenbeschreibung des Täters, sondern lediglich nach der Waffe. Ob aus der denn auch geschossen worden sei?
Eine Gefahr für den Zeugen Peter M. kann Revierführer Mulder nicht erkennen. In Ordnung sei das laute Nennen von M.'s Namen dennoch nicht gewesen. Aber, so gibt Pressesprecher Jantosch zu bedenken: „Es gab so viele, viele Zeugen“. Fritz Gleiß
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