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Der Anwalt Gottes

■ „Der Mörder mit dem Rosenkranz“, ARD 22.20 Uhr, ein Beicht-Thriller mit Donald Sutherland

Weihevoll legt der Killer den Ermordeten einen Rosenkranz in die Hand. Seine Opfer sind allesamt kirchliche Würdenträger, Nonnen, Priester, Mönche. Die Polizei von Detroit tappt im dunkeln. Es ist, als ob ein Phantom die Morde beginge...

Zum Abschluß der Elmore-Leonard-Reihe strahlt die ARD heute den bislang im Labyrinth der Videotheken verschollenen amerikanischen Spielfilm Der Mörder mit dem Rosenkranz (The Rosary Murder) von 1986 aus. Mit der von ihm gewohnten, faszinierenden Unaufdringlichkeit verkörpert Donald Sutherland einen modernen Priester, der nichts mehr an sich hat von dem traditionellen Muff der alten Schwarzkittel und trotzdem eine gewisse Würde ausstrahlt. Die pervertierte Funktion von Religiösität in einer Zeit, in der metaphysische Werte anscheinend nichts mehr gelten, steht im Zentrum der Filmhandlung, die auf anspruchsvolle Weise Hintergründiges mit den Gesetzen des Genrefilms verwebt. Der Mörder nämlich, der die Polizei mit dem Genie seines entrückten Geistes ein ums andere Mal narrt, erweist sich als unfreiwillig gläubiger Mensch. Im Beichtstuhl gesteht er seine Sünden unter Androhung weiterer Bluttaten. Vor die Gewissensfrage gestellt, entweder das heilige Gebot des Beichtgeheimnises zu verletzen oder noch weitere Unschuldige massakrieren zu lassen, wird Pater Koessler (Donald Sutherland) selbst zum Detektiv, zum Anwalt Gottes.

Über eine Nonne, die ein Schweigegelübte abgelegt hat, führt die Spur zu einem inzestuösen Vater, der Nacht für Nacht seine Tochter mißbrauchte. Verzweifelt flüchtete sich das junge Mädchen in einen religiösen Wahn, um darauf seinem eigenen, leiblichen Vater vermittels der Berufung auf eine höhere, spirituelle Autorität die furchtbaren Sünden zu vergeben. Als sie sich im Zuge dieser perfiden Absolution auch noch das Leben nimmt, fühlt sich der Inzest treibende Vater von seinem himmlischen Nebenbuhler geradezu herausgefordert. Da sich Gott aber dem Kampf Mann gegen Mann nicht zu stellen wagt, killt der auf metaphysische Art Gehörnte dessen Repräsentanten, einen nach dem anderen.

Vater Koessler ist nun alles andere als ein Sakral-Rambo, der das Kruzifix als Wurfmesser und das Zepter als Handgranate verwendet. Seine detektivische Arbeit bleibt im Rahmen des Realistischen. Die Spannung, die der Film über 100 Minuten vermittelt, resultiert aus der religiösen Grundstimmung, die abseits jeglicher Frömmelei ins Pathologische übergleitet. Auch werden wir von einer rührseligen biographischen Entwicklung des Mordmotivs verschont. Der Mörder bleibt ein gesichtsloser Nobody, der die Pathologie des kollektiven Unbewußten auf sprichwörtlich teuflische Art materialisiert. Gerade die Unauffälligkeit des Films, sein bis in die Art der Darstellung reichender Bezug zur Alltäglichkeit, die hinter jeder Tür eine grauenhafte Entstellung verbirgt, macht die Qualität aus. Nicht entgehen lassen!!

Rie

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