: Der Angst eine Gestalt geben
■ In Bildern, Texten und Figuren stellen Flüchtlingskinder aus Bosnien ihre Erlebnisse dar und versuchen, sie zu bewältigen – ein Unicef-Projekt
Zum Thema „Angst“ malten bosnische Flüchtlingskinder Blumenbilder. Das Thema löste Bedrohung aus, der Schmerz der Kriegserlebnisse war zu groß. Wenige Wochen später zeichneten sie bedrohliche Tiere wie Krokodile und Raubkatzen. Erst im dritten Anlauf gelang es ihnen, ihre wirklichen Ängste aufs Papier zu bannen. Zu sehen sind Bilder aus dem Krieg: Hubschrauber- und Panzerangriffe, zerstörte Häuser, Verwundete und Tote.
„Die Darstellung des Erlebten ist ein erster Schritt, um Traumata, Blockaden und aufgestaute Ängste aufzubrechen und den Erlebnissen etwas von der Bedrohlichkeit zu nehmen“, sagt Lothar Kunz, Sozialarbeiter in der ehemaligen Boehn-Kaserne, wo etwa 520 bosnische Flüchtlinge, unter ihnen 100 Kinder, untergebracht sind. Hier wurde vor eineinhalb Jahren ein in Hamburg einmaliges Projekt der Unicef-Kroatien aufgenommen. Die „psychologischen und pädagogischen Hilfen für Kinder, die den Krieg erlebt haben“, sollen den sechs- bis 13jährigen helfen, Alpträume, Angstzustände und Depressionen zu überwinden.
Wichtigste Voraussetzung für die Umsetzung des Projekts war es, das Vertrauen der Kinder zu gewinnen. Mit der Einstellung von Amira Tadzic, ehemalige Deutschlehrerin in Bosnien und vor Ort für das Projekt ausgebildet, wurde eine Spezialistin gewonnen, die sich mit den Kindern in deren Muttersprache unterhalten kann, sich um ihre Einschulung kümmerte und ihnen bei Alltagsproblemen half. Damit war die Grundlage für die ein bis zweimal pro Woche stattfindenden Sitzungen geschaffen, in denen die Kinder in Kleingruppen ihre Erlebnisse bildlich festhalten und über sie sprechen. Bisher haben rund achtzig Kinder an dem Projekt teilgenommen.
„Besonders beeindruckt waren wir von der hohen Konzentration und Beständigkeit, mit der auch Kinder an den Sitzungen teilnahmen, die in der Schule als unkonzentriert gelten“, so Lothar Kunz, einer der Betreuer des Projekts. Im Laufe der Zeit haben die SozialarbeiterInnen das Angebot, das sich ursprünglich auf das Malen beschränkte, erweitert. Hinzugekommen ist eine Werkstatt, in der die Kinder ihre Erlebnisse modellierend verarbeiten, eine Gruppe, in der sie lernen, Erfahrungen in ihrer Muttersprache oder in Deutsch niederzuschreiben, und die Musik- und Tanztherapie.
Wichtiger Bestandteil des Projekts ist die Dokumentation der Kinderarbeiten. Bis zum 30. August werden Bilder und Modelle aus Knetgummi, die die kindlichen Kriegs- und Fluchterfahrungen veranschaulichen, in den Räumen des Landesbetriebes Erziehung und Berufsbildung (von 10 bis 16 Uhr, Averhoffstraße 7) ausgestellt.
Knut Henkel
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen