■ Der Angriff der USA auf Bagdad unterstreicht einmal mehr das Scheitern der amerikanischen Irak-Politik: Clinton tritt das Erbe an
Bill Clinton hat nun gezeigt, was er im Falle des Irak unter Kontinuität der amerikanischen Außenpolitik versteht, die er bereits im Wahlkampf versprochen hatte. Er hat diesen ersten Angriff auf Bagdad unter seiner Regie damit begründet, daß die irakische Regierung nach den Erkenntnissen des FBI versucht habe, in Kuwait ein Attentat gegen seinen Vorgänger George Bush durchzuführen. Völkerrechtlich beruft sich Clinton auf Artikel 51, Absatz VII, der UN- Charta, der im Falle „eines Angriffs mit Waffengewalt gegen ein Mitglied der Vereinten Nationen“ das Recht auf „individuelle und kollektive Selbstverteidigung“ hervorhebt.
Gegen die Personen, die verdächtigt werden, das nicht ausgeführte Attentat auf George Bush vorbereitet zu haben, hat die kuwaitische Justiz Anfang Juni ein Verfahren eröffnet. Die amerikanische Menschenrechtsorganisation Middle East Watch fürchtet, daß die Geständnisse, die zwei der festgenommen Iraker abgelegt haben und auf die sich auch das FBI beruft, den Verhafteten unter Zwang abverlangt wurden. Die kuwaitischen Richter beeilten sich, den Angeklagten ein faires Verfahren zuzusichern. Die Beweisaufnahme ist jedenfalls noch nicht beendet, die kuwaitischen Richter hatten das Verfahren auf den 26. Juni vertagt.
Just für diesen Tag hatte Clinton ursprünglich den Befehl für den Raketenangriff auf das Hauptquartier der irakischen Geheimdienste in Bagdad erteilt, ihn dann aber auf den folgenden Tag verschoben. Er hielt es offenbar für überflüssig, einen Abschluß des Verfahrens abzuwarten und zog es vor, sich bei seinem Entschluß auf Berichte des eigenen Geheimdienstes zu stützen.
Selbst wenn die kuwaitischen Richter schon jetzt und mit rechtsstaatlichen Mitteln zu dem gleichen Ergebnis gekommen wären, wie das FBI, wäre Clintons Schritt unakzeptabel. Wie einige seiner Amtsvorgänger auch, hat er hat sich bei diesem Angriff einer denkbar schlichten Interpretation des Artikels der UN- Charta bedient — als handele es sich um eine Aufforderung zu internationalem Faustrecht.
Der Angriff ist wieder einmal ein schlecht kaschierter Versuch, innenpolitische Schwierigkeiten durch außenpolitische Aggression zu kompensieren. Nach einem drastischen Rückgang seiner Popularität in den USA — und nach dem katastrophalen Hin und Her gegenüber der serbischen Aggression in Bosnien- Herzegowina — wollte Clinton offenbar woanders Pluspunkte sammeln. Der bei solchen Aktionen stets billigend in Kauf genommene Tod von Zivilisten pflegt solchen Maßnahmen zur Steigerung der Popularität in der amerikanischen Öffentlichkeit keinen Abbruch zu tun.
Der Zeitpunkt des Angriffs ist noch in anderer Hinsicht signifikant: Die nach dem Golfkkrieg gegen den Irak halbherzig eingerichtete Schutzzone für die irakischen Kurden steht in Ermangelung internationaler Unterstützung kurz vor dem wirtschaftlichen Zusammenbruch. Die irakisch-kurdische Führung hat deshalb in letzter Zeit wiederholt signalisiert, daß sie zu einer Wiederaufnahme der Verhandlungen mit Bagdad bereit ist.
Saddam Hussein sitzt trotz Golfkrieg und Blockade innenpolitisch fest im Sattel. Die Chancen zu seinem Sturz wurden während des Golfkrieges vertan, da sich die westliche Allianz aus Angst vor einem territorialen Zerfall des Irak nicht entschließen konnte, mit der kurdischen und der schiitischen Opposition zusammenzuarbeiten. Vor allem gegenüber den Kurden hatte man erhebliche Vorbehalte, da mit der Ausrufung eines kurdischen Teilstaates im Nordirak zu rechnen war. Die schiitischen Oppositionellen im Süden waren wiederum wegen ihrer engen Beziehungen zu Teheran verdächtig. Aus diesen Gründen wurde der Krieg gegen Bagdad beendet, bevor die irakische Armee zu schwach war, um die separatistischen Bewegungen im Irak niederzuschlagen. Das hieß auch, auf einen Sturz von Saddam Hussein zu verzichten.
Der amerikanische Angriff wird an dieser fehlgeschlagenen Kriegsführung und Politik nichts ändern — im Gegenteil: Je evidenter die „westliche Aggression“, desto siegessicherer kann sich Saddam Hussein seinem geplagten Volk als Retter in der Not präsentieren. Jedes durch den Luftangriff der USA zerstörte, der westlichen Öffentlichkeit triumphierend präsentierte Haus, jeder Tote und Verletzte ist für ihn frei Haus geliefertes Propagandamaterial.
Der Angriff der USA ist nichts als ein erneutes Eingeständnis der gescheiterten Irak-Politik. Nina Corsten
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