: Der Amoklauf des neuen Sturmduos
■ Der FC St. Pauli besinnt sich beim 3:0 in Meppen auf vergessene Tugenden des Fußballspiels
Verschwörerisch bildeten die Profis des FC St. Pauli vor dem Anpfiff einen Kreis und tuschelten sich machtvolle Mantras zu: „Die Querelen im Verein stören uns nicht. Wir sind eine Mannschaft. Wir sind elf Freunde.“Gespannt warteten auch die Zuschauer, wie die Mannschaft im Spiel eins nach Hinzpeterchens Mondfahrt und im Spiel zwei nach Eckhard Krautzuns Abgang auftreten würde.
Die geplante Aktion der St. Pauli-Fans, das Spiel in der ersten Viertelstunde zu boykottieren, fiel zunächst einmal aus. Nur zwei Transparente verdeutlichten, was die Anhänger von ihrem Verein zur Zeit halten: „St. Pauli 97 – ein Verein läuft Amok gegen sich selbst“.
Im Spiel an sich lief erst einmal nicht viel zusammen bei den Kickern vom Millerntor. Meppen machte das Spiel und stürmte. Allerdings waren die Emsländer viel zu einfallslos und schlecht, um die ausnahmsweise sicher agierende Abwehr der Hamburger in Gefahr zu bringen. Doch dann geschah das Unerwartete und Erstaunliche.
Als wollten die Spieler beweisen, daß sie es noch können, besannen sie sich auf das, wofür sie eigentlich bezahlt werden – das Fußballspiel. Nach vorne wurde plötzlich schnell kombiniert, die Pässe kamen nicht mehr nur beim Gegner an und die Angreifer bewiesen, daß sie noch Tore schießen können. Jurij Savitschew und der in letzter Zeit für seine vorlaute Art arg kritisierte Marcus Marin zeigten, daß so etwas wie ein spielendes Sturmduo auch beim FC St. Pauli möglich ist.
„Ich bin mit der Leistung zufrieden“, äußerte sich Interimstrainer Gerhard Kleppinger schon ganz wie ein Chefcoach zum Spiel seines Teams. Er will schließlich endgültig Ex-Trainer Eckhard Krautzun beerben und muß dafür den nötigen Erfolg vorweisen können. Daß er durchaus vereinskompatibel ist, beweisen Aussagen wie „Wir haben die Zweikämpfe gesucht und gewonnen.“Mit solchen Sprüchen, die an ein altes, längst vergessenes Wir-Gefühl appellieren, fügt er sich bestens in die Befindlichkeit am Millerntor ein.
Ob Kleppo der richtige Mann dafür ist, eine durchschnittliche Zweitligamannschaft doch noch in einen Aufstiegsaspiranten zu machen, läßt sich nach dem Sieg gegen die schwachen Meppener noch nicht sagen. Aber bestimmt wird das Präsidium in der Trainerfrage bald zu einem qualifizierten Ergebnis kommen. Eberhard Spohd
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