Depardieu im neuen Chabrol-Film: Ein Denkmal in Ferien
In seinem Film "Kommissar Bellamy - Mord als Souvenir" kratzt Claude Chabrol unbeholfen an der Starpersönlichkeit von Gérard Depardieu. Es geht um reinen Zeitvertreib im Langeweile-Urlaub.
Viele Menschen träumen von einem Urlaub im Süden Frankreichs. Hier kann man besonders gut die Seele baumeln lassen, wie man so schön sagt. Für Menschen, die dort ein Haus haben, stellt sich allerdings auch hier schnell eine bestimmte Alltäglichkeit ein. Man kauft ein, man kocht, man lädt den Zahnarzt aus der Nachbarschaft ein, man löst Kreuzworträtsel. So jedenfalls verbringt Paul Bellamy seine Urlaubstage, die Hauptfigur in dem neuen Film von Claude Chabrol: "Kommissar Bellamy - Mord als Souvenir".
Es zählt zu den ältesten Motiven in Krimis, dass ein echter Ermittler nie Urlaub hat. Im Gegenteil - wo immer ein Hercule Poirot oder ein Maigret auch hinfahren, nach Ägypten oder in das abgelegenste Kaff, irgendwas passiert immer. So auch hier. Paul Bellamy langweilt sich ein wenig, seine Frau Françoise übrigens auch, denn sie wäre gern weiter weggefahren als nur nach Nîmes. Der Kommissar, der es mit seiner Arbeit zu einer gewissen Berühmtheit gebracht hat, lauert geradezu auf einen Fall. Und weil Claude Chabrol es in seinem umfangreichen Werk zu einem Markenzeichen gemacht hat, dass er Konventionen gern genügt (wenn auch nicht immer ganz konventionell), passiert auch gleich etwas.
Ein Mann macht sich an Bellamy heran. Er gibt vor, sein Gewissen erleichtern zu wollen. Er bekennt, dass er nicht der ist, der er zu sein scheint. Vielmehr ist er eine bekannte Persönlichkeit aus der Gegend, die seit einiger Zeit vermisst wird. Was er genau von Bellamy will, ist anfänglich nicht ganz klar, aber die Ungewissheit reicht, um den Kommissar aus seiner Lethargie zu reißen.
Es ist nicht ohne Komik, wie Gérard Depardieu durch diesen Film stapft, immer recht förmlich gekleidet, schwer ächzend unter seiner Leibesfülle, ein Denkmal in Ferien. Unverkennbar geht es in "Kommissar Bellamy" um Ironie, um einen sanft ironischen Blick auf den größten Star des französischen Kinos und um die Selbstironie, mit der Depardieu sich hier ein wenig der Lächerlichkeit preisgibt. Aber es ist eine Ironie, die sich nicht so recht aus dem Kleingeist zu befreien vermag, mit dem Chabrol auch hier wieder spielt. Es ist geradezu zu seinem Markenzeichen geworden, dass er in regelmäßigen Abständen die französische Provinz viviseziert - er nimmt das Leben in den kleinen und mittleren Städten auseinander, lässt die lokalen Honoratioren sich bloßstellen und legt die untergründigen Strukturen des Begehrens, des Neids, des Prestigebedürfnisses frei. In seinen besten Filmen ("Der Schlachter", "Die Unschuldigen mit den schmutzigen Händen") gelang dies mit einer Schärfe, die weit über die Genregrenzen hinausging.
Im Fall von "Kommissar Bellamy - Mord als Souvenir" verrät der deutsche Verleih schon mit dem Untertitel unwillkürlich, dass es hier um nicht mehr als eine kleine Erinnerung geht, um ein Detail, das die Ereignislosigkeit des Urlaubs durchbricht, das sich aber dann auch problemlos in das Regal der Reminiszenzen stellen lässt. Vielleicht muss man ein Fan von Gérard Depardieu sein, um ein besonderes Vergnügen an der Belanglosigkeit von "Kommissar Bellamy" haben zu können. Genauso gut könnte man aber gerade als Fan von Gérard Depardieu daran ein wenig Anstoß nehmen, wie leichthin Chabrol und seine kreative Partnerin Odile Barski es vor allem darauf angelegt haben, eine Geschichte zu finden, die im Zuge ihrer Aufklärung gewissermaßen verpufft. Depardieu hat ja mindestens zwei Karrieren, und wer sich an seine Auftritte vor allem bei Maurice Pialat erinnert ("Police", "Le garçu", "Sous le soleil de Satan"), wird nicht unbedingt glücklich sein darüber, wie unbeholfen Chabrol hier das nationale Monument, zu dem sein Star geworden ist, auf die Schippe nimmt.
Kommissar Bellamy gerät in diesem Sommer in eine veritable Identitätskrise als Mann. Er leidet unter seinem aufsässigen Bruder, dem er nicht gut die Tür weisen kann, von dem er aber argwöhnt, dass er Françoise den Hof macht. Er ist fasziniert von dem rätselhaften Mann mit drei Identitäten (gespielt von Jacques Gamblin), der am Ende vielleicht die Versicherung betrogen hat, mit dem Selbstbetrug aber nicht zurechtkommt.
"Kommissar Bellamy - Mord als Souvenir" deutet immer wieder an, dass es um mehr gehen könnte, als nur um einen Zeitvertreib für einen langweiligen Urlaub. Da Claude Chabrol aber offensichtlich geglaubt hat, seine Entmythologisierung der Starpersönlichkeit Depardieu würde für seinen Film schon reichen, ist dieses Mal nicht mehr herausgekommen als ein Krimi, der nur so tut, als ginge es um etwas.
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