Denkmal für die Wehrmacht in Lüneburg: Verbrechen konkret benannt
Das umstrittene Lüneburger Wehrmachtsdenkmal bleibt, bekommt aber mehr Erklärungstext. Die geehrten Soldaten waren am Holocaust beteiligt.
Ursprünglich hatten die Überlebenden die Verhüllung des Steins gefordert. Aus gutem Grund: „Es sage keiner, dass unsere Gefallenen tot sind“ – dieser der Antike entlehnte Satz steht da in Lettern, die stark an die NS-nahe Gotenburg- beziehungsweise Tannenburgschrift erinnern. Darüber prangt ein Wikingerschiff, Emblem speziell der 110. Infanteriedivision und bis heute in rechten Kreisen beliebt.
Kriegsveteranen hatten die Setzung des Steins 1960 initiiert, die Stadt Lüneburg ihn getreulich gepflegt. Erst 2014 stellte sie – auch auf Betreiben der Vereinigung der Verfolgten des NS-Regimes – eine Erklärtafel dazu. Aber das geschah halbherzig, setzte der Text das Leid der „Gefallenen“ dem ihrer Opfer doch quasi gleich.
Und davon gab es viele, war die 1941 für den Überfall auf die Sowjetunion rekrutierte Division doch auch an Kriegsverbrechen beteiligt. Allein im weißrussischen Osaritschi haben die Soldaten 1944 rund 50.000 Zivilisten in Todeslager deportiert. 9.000 von ihnen starben.
„Ein wichtiges Zeichen“
Öffentliche Empörung erregte das Ehrenmal aber erst 2015, als besagte Holocaust-Überlebende nach Lüneburg reisten, um in dem Prozess gegen den früheren KZ-Wachmann Oskar Gröning auszusagen. Der Anblick des Gedenksteins versetzte ihnen einen Schock. Bis die Stadt eine neue Tafel erstellte, dauerte es weitere drei Jahre. Aber nun stand da: „Erinnerungskultur ist zeit- und kontextgebunden. 1960 versprach die Stadt, das Denkmal als,Ehrenmal' zu bewahren und zu pflegen. Heute ist es umstritten und ein Stein des Anstoßes – schmerzhaft in seiner Aussage, verletzend für die Nachfahren der Opfer.“
Aber auch hier war eher allgemein von „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ die Rede – weshalb die Schoah-Überlebenden nun offiziell klagten: zunächst auf Verhüllung des Steins, bis eine Lösung gefunden sei. Als die Stadt das ablehnte, forderte man zumindest die Veränderung der Tafel.
Das ist nun erreicht: Der Text wird durch einen Halbsatz ergänzt, aus dem hervorgeht, dass die 110. Infanterie-Division auch am Völkermord an den Juden, der Schoah, während der Zeit von 1941 bis 1944 in der Sowjetunion beteiligt war. „Seit der Wehrmachtsausstellung ist die Beteiligung dieser Soldaten an Kriegsverbrechen eigentlich bekannt“, sagt Joachim Gottschalk, Ehemann und Anwalt einer der KlägerInnen. „Aber dieser Text macht es nochmals konkret. Das ist ein wichtiges Zeichen – nicht nur für Lüneburg, sondern für alle Schoah-Opfer und ihre Nachfahren.“ Er sei mit dem Vergleich sehr zufrieden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett