Denkmal für Hitler-Attentäter: Widerstand gewinnt an Profil
72 Jahre nach dem missglückten Attentat des Handwerkers Georg Elser auf Adolf Hitler erinnert eine stählerne Skulptur an den lange verdrängten Widerstandsversuch
Siebzehn Meter hoch, wie ein Stück einer Kralle oder ein verbogenes Fragezeichen ragt sie zwischen den Plattenbauten an der Wilhelmstraße in Mitte auf: die Stahlskulptur, die an den Hitler-Attentäter Georg Elser erinnern soll. Nur wer aus der richtigen Richtung kommt, erkennt auf Anhieb, dass sie ein menschliches Profil darstellt. "Wer Elser kennt, wird ihn erkennen. Wer ihn nicht kennt, sieht: einen Menschen", sagte der Schriftsteller Rolf Hochhuth in seiner Ansprache bei der Einweihung des "Denkzeichens" am Dienstag.
Am 8. November 1939 hatte der württembergische Landwirtssohn und gelernte Schreiner Elser, 1903 geboren, versucht, den "Führer" des Deutschen Reiches, Adolf Hitler, im Münchener Bürgerbräukeller mit einer Bombe zu töten. Das misslang, da Hitler den Ort wegen einer wetterbedingten Reiseplanänderung früher verließ. Elser wurde inhaftiert und jahrelang in den KZ Sachsenhausen und Dachau mit dem Plan festgehalten, ihn nach dem "Endsieg" in einem Schauprozess zu verurteilen. Als kein Sieg mehr in Sicht war, wurde Elser am 9. April 1945 erschossen.
Es ist vor allem Rolf Hochhuth zu verdanken, dass nun so sichtbar an den Widerständler erinnert wird, der in beiden Deutschlands lange vergessen oder verdrängt wurde. Bereits zum 70. Jahrestag des Attentats hatte der Schriftsteller ein "Denkzeichen" angeregt. Dass es nun mit zweijähriger Verspätung an der Wilhelmstraße steht - auch daran könne man sehen, so Kulturstaatssekretär André Schmitz in seiner Ansprache, "wie viel ein Einzelner bewegen kann".
Denn ein Verdacht klang in Schmitz ebenso wie in den Reden Hochhuths und des Künstlers Ulrich Klages an, der das Denkmal geschaffen hat: dass der Attentäter Elser deshalb so lange "in der Erinnerung der Menschen in unserem Lande ausgelöscht" (Schmitz) blieb, weil an seinem Beispiel, so Klages, sich zeigen ließ: "Man konnte sich anders verhalten." "Das Volk liebt zwar die Freiheit, aber nicht die, die sich dafür opfern", sagte dazu Hochhuth.
"Friede oder Hitler", das sei Elsers Motiv gewesen, so der Schriftsteller. Erst als 1964 die Protokolle der von der Gestapo geführten Verhöre Elsers gefunden wurden, die Aufschluss über Motive und Persönlichkeit des Attentäters gaben, begann die historische Aufarbeitung des Attentats eines Mannes, der Hitler und die Nazis verabscheute, mit seiner Tat aber vor allem den Krieg verhindern wollte.
Weil diese Verhöre in der Gestapo-Zentrale an der Wilhelmstraße stattfanden, unweit des Führerbunkers und der Reichskanzlei, steht hier nun das Mahnmal: ein "menschliches Antlitz" mitten im "Machtzentrum der Verbrecher", so André Schmitz.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Rückzug von Marco Wanderwitz
Die Bedrohten
Repression gegen die linke Szene
Angst als politisches Kalkül