: „Den Islam“ gibt es nicht
betr.: „Wer ist hier -phob?“, taz vom 27. 9. 07
Sehr geehrter Herr Feddersen, Ihr Artikel, in dem Sie über die Studie des Sozialpsychologen Bernd Simon berichten, ist in vielerlei Hinsicht sehr schlampig geschrieben, um nicht zu sagen: tendenziös.
Dass Sie nichts über Thema, Methode, Teilnehmer, ja noch nicht einmal den Titel der Studie schreiben – geschenkt. Aber dass Sie selbst das Wenige, das Sie zitieren, in einen falschen Zusammenhang stellen, ist unzulässig.
Die Studie zeigt, dass bei Jugendlichen, deren Wurzeln in der ehemaligen Sowjetunion liegen, die Homophobie fast gleich stark ausgeprägt ist wie bei solchen aus der Türkei. Die einen haben einen christlichen Glauben, die anderen einen islamischen. Sie aber setzen den Zusammenhang direkt zwischen Islam und Homophobie. Da wundern Sie sich, wenn da vor Islamophobie gewarnt wird?
Dann der Abschnitt, der klingt, als hätten Sie selbst „im Milieu“ recherchiert. Danach können Sie sich fast nicht mehr bremsen in Ihrem Zorn auf „diese Communities“, in denen „wie eh und je ein dynastisches Denken nistet“. Das ist so pauschalisierend wie diskriminierend. Denn Sie setzen gleich wieder diese Kultur mit „dem Islam“ gleich, und zum Beweis oder um dem Ganzen noch die richtige Schärfe zu geben, entblöden Sie sich nicht, wieder den medial zur Genüge ausgeschlachteten Fall der ermordeten Hatun Sürücü hervorzuzerren, an deren Tod auch wieder „der Islam“ schuld sei. Homophobie kommt von Islam, weil der patriarchalisch ist, was man ja an diesem Mord sieht. Wer kann sich dieser Beweiskette entziehen??
Von den Interpretationen des Herrn Simon erfährt man nichts in Ihrem Artikel. Er stellt lediglich den Zusammenhang zwischen gelebter Religiosität und Homophobie, darüber hinaus zwischen der Stärke der Diskriminierungserfahrung und Homosexuellenfeindlichkeit her. Von einer solchen Ursache schreiben Sie nichts.
Die Studie sagt nur etwas zur geäußerten Meinung aus, nichts über einen Zusammenhang zwischen Ansichten und wirklichen Handlungen gegen Homosexuelle. Auch wenn ich Spinat eklig finde, kann ich dennoch akzeptieren, dass jemand ihn isst. Wir wissen genau, wie heftig und häufig die Taten gegen Homosexuelle gerade von Deutschen (oder soll ich sagen, von Christen) sind.
Würde man zu den „Merkmalen“ Religion und Herkunft noch das Merkmal soziale Lage nehmen, ergäbe sich gleich ein ganz anderes Bild. Wer sind eigentlich die Zuwanderer, die Ausländer, die Migranten? Flüchtlinge und Asylbewerber? Ausländische Arbeitnehmerfamilien, die zum Teil seit vier Jahrzehnten in Deutschland leben und deren 2. und 3. Generation bereits hier aufwächst?
„Den Islam“ gibt es nicht. Er ist höchst unterschiedlich ausgeprägt. Wie „das Christentum“ im Übrigen auch. Wovon Sie schreiben, das sind kulturelle Zusammenhänge. Patriarchalische Strukturen finden sich genauso heftig in christlichen Gemeinschaften (betrachten sie mal das ehemalige Jugoslawien, da finden Sie keine spezifischen Unterschiede zwischen christlichen und muslimischen Bevölkerungsgruppen), und andererseits sind unter „dem Islam“ in der Türkei mehr Frauen in Führungspositionen als im „christlichen“ Deutschland. Auch „Ehrenmorde“ gibt es genügende in Deutschland, sie heißen hier nur „Familiendrama“.
Und weil Sie ja auch nicht bei der Studie und der Homophobie bleiben, sondern gleich die gesamten kulturellen Unterschiede auf den Islam beziehen: So groß sind die Unterschiede nicht. Ihr „dynastisches“ Denken ist in Deutschland genauso ausgeprägt. Die Formen sind nur anders. Und da wir sie so gut kennen, sehen wir sie nicht mehr. Das ist wie in einer (schlechten) Ehe: Man hat sich an den Schrecken gewöhnt, sich damit eingerichtet, man nimmt es gar nicht mehr wahr. Von außen fragen sich die Freunde: Wie kann man das ertragen? GERTRUD SCHRENK, Mannheim