Demos im Westjordanland: Siedler gegen Baustopp
Israels Premier Benjamin Netanjahu will mehr öffentliche Gelder in die isolierten Außenposten stecken. Oppositionspartei Kadim spricht von "Schweigegeld für Siedlungsbewegung".
JERUSALEM taz | Mit Parolen gegen die USA und gegen Premierminister Benjamin Netanjahu wollen israelische Siedler den jüngst von der Regierung entschiedenen Baustopp aufhalten. Rund 15.000 Demonstranten aus dem rechten Lager versammelten sich am Mittwochabend im Zentrum Jerusalems.
"Hände weg von Eretz Israel", warnte der Likud-Abgeordnete Dani Danon den US-amerikanischen Präsidenten Barack Obama. Der von Netanjahu vor zwei Wochen verkündete zehnmonatige Baustopp in den Siedlungen im Westjordanland sei eine "schändliche Kapitulation vor den amerikanischen Forderungen", hieß es in den Aufrufen zum Protest.
Um die Aufregung unter den Siedlern zu lindern, will Netanjahu künftig isolierte Siedlungen auf die Liste der Ortschaften schreiben, die nationale Priorität genießen.
Für die Bewohner von Nokdim, Itamar und anderen abgelegenen Siedlungen im Westjordanland bedeutet die Zuordnung der Ortschaften mit nationaler Priorität, fortan in den Genuss von staatlichen Subventionen und verbesserter öffentlicher Versorgung zu kommen. Die Regierung soll am kommenden Sonntag entscheiden, ob sie die umgerechnet fast 20 Millionen Euro in die Entwicklung der Siedlungen fließen lassen will. Dem Kabinettbeschluss über den Baustopp vor zwei Wochen würden die staatlichen Investitionen nicht zuwiderlaufen. Netanjahu hatte den Baustopp auf private Wohnungen beschränkt. Schulen, Parks und Bürgerclubs fallen ausdrücklich nicht unter die geltenden Baueinschränkungen. Auch Ostjerusalem und bereits im Bau befindliche Wohnungen sind von der Regelung ausgenommen.
Rund zwanzig Minuten dauert es, um vom Stadtrand Jerusalems mit dem Auto die Siedlung Nokdim zu erreichen, in der auch Außenminister Avigdor Lieberman wohnt. Sollten sich Israel und die Palästinenser jemals auf eine Zweistaatenlösung einigen, würde Nokdim sicher geräumt werden müssen.
Die Oppositionspartei Kadima sprach von einem "Schweigegeld für die Siedler". Die Entscheidung Netanjahus "vertuscht die Unterschiede zwischen den Siedlungsblöcken", den Siedlungen, die Israel auch nach der Endstatuslösung nicht räumen lassen will, "und den isolierten Siedlungen". Der Schaden auf internationaler Ebene sei nicht abzusehen. Die Siedler selbst weigern sich, Unterschiede zwischen den Siedlungen zu machen. "In JESCHA (Initialwort für Judäa, Samaria und Gaza) wird weiter gebaut", kündigten sie an.
Für die Palästinensische Autonomiebehörde macht der eingeschränkte und temporäre Baustopp in den Siedlungen ohnehin keinen Unterschied. Palästinenserpräsident Machmud Abbas beharrt auf seine Bedingung, erst wieder an den Verhandlungstisch zurückzukehren, wenn Israel den Bau in den Siedlungen komplett und unbefristet einstellt. So hatte es auch US-Präsident Barack Obama zu Beginn seiner Amtszeit gefordert.
Israel nutzt unterdessen die palästinensische Beharrlichkeit, um Palästinenserpräsident Abbas den schwarzen Peter zuzuschieben und für den Stillstand im Friedensprozess verantwortlich zu machen.
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