Demos für und gegen "Stuttgart 21": Politiker zieht es auf die Straße
Beim friedlichen Großkampftag sind in Stuttgart Bahnhofsgegner und Befürworter gleichzeitig auf die Straßen gegangen. Auch die verantwortlichen Politiker trauten sich erstmals aufs Pflaster.
STUTTGART dpa/dapd/taz Erstmals demonstrierten am Samstag in Stuttgart sowohl Gegner wie Befürworter des umstrittenen Bahnhofsprojektes "Stuttgart 21" zeitgleich auf Stuttgarts Straßen. Insgesamt beteiligten sich mehrere zehntausend Menschen an den Demonstrationen. Laut Polizei-Schätzungen gingen rund 7.000 Befürworter sowie rund 16.000 Bahnhofsgegner auf die Straße. Die Veranstalter schätzten die Beteiligung auf Seiten der Bahnhofsbefürwrter auf rund 10.000 und auf Seiten der Gegner auf rund 50.000 Demonstranten. Alle Proteste verliefen friedlich.
Nachdem am Freitag die öffentlichen Schlichtungsgespräche in dem verfahrenen politischen Konflikt in Stuttgart begonnen hatten, konnten die Bahnhofsbefürworter bei ihrer Kundgebung auch erstmals prominentes Personal aufbieten. So sprachen dort unter anderem der Konzernchef der Deutschen Bahn, Rüdiger Grube, die baden-württembergische Verkehrsministerin Tanja Gönner (CDU), der frühere baden-württembergische Minsterpräsident Erwin Teufel (CDU) sowie der ausgeschiedene Projektsprecher von "Stuttgart 21", Wolfgang Drexler (SPD), zu den Menschen.
Baden-Württembergs umstrittener Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) sagte in einem Zeitungsinterview, es habe Fehler bei der Kommunikation des Projektes gegeben. "Wir hätten in den letzten Jahren nicht darauf verzichten dürfen, die Argumente, die für Stuttgart 21 sprechen, auch offensiv zu vertreten, Skeptiker ernst zu nehmen und Gegnern in der Sache entgegenzutreten."
Unterdessen forderte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) die Bahnhofsgegner am Wochenende auf, während der Schlichtungsgespräche auf weitere Demonstrationen zu verzichten. Nachdem es während der Schlichtungsgespräche eine umfassende Bauunterbrechung gibt, müsse gelten: "Wenn schon Friedenspflicht, dann für beide Seiten."
Dem Widersprach Schlichter Heiner Geißler (CDU) deutlich. "Das Recht auf Demonstration ist ein vornehmes Grundrecht unserer Verfassung", sagte Geißler. "Und das kann und darf man nicht verbieten." Schließlich hätten beide Seiten die Möglichkeit, von ihrem Demonstrationsrecht Gebrauch zu machen.
Das tut die CDU übrigens durchaus pragmatisch: So übernehmen in Baden-Württemberg teils CDU-Kreisverbände die vollständige Orga- und Kostenplanung für die kollektive Busreise zu den Pro-Stuttgart-21-Demonstrationen.
Aus Reihen der SPD bekräftigte Parteichef Sigmar Gabriel am Wochenende den Ruf nach einem Volksentscheid. Der Konflikt um "Stuttgart 21" sei nur noch so zu lösen. Auch auf bundesweiter Ebene müssten künftig Volksentscheide möglich werden. In der Sache sagte Gabriel aber auch: "Die SPD ist immer noch für den Bahnhof und für dieses Verkehrsprojekt." Seine Partei sei "eine Infrastrukturpartie, wir sind keine Volksbeglückungspartei", sagte er in Anspielung auf den Höhenflug der Grünen bei derzeitigen Umfragen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“