Demonstration in Kenia eskaliert: Hassprediger heizt Konflikt an
Muslime demonstrieren für die Freilassung des in Großbritannien verurteilten Abdullah al-Faisal. Die Regierung reagiert mit einem Rundumschlag gegen die islamische Community.
NAIROBI taz | Kenias Christen bereiteten sich auf das Weihnachtsfest vor, als der in ein unscheinbares weißes Gewand gekleidete Mann mit dunkler Haut und gestutztem Vollbart Tansania verließ. Die Grenzbeamten in Lunga Lunga wussten nicht, wer dieser Abdullah al-Faisal ist, der am Heiligen Abend nach Kenia einreist: ein von britischen Gerichten verurteilter Hassprediger, der immer wieder zum Mord an Juden, Hindus und Amerikanern aufrief.
Er soll auch die Attentäter inspiriert haben, die 2005 U-Bahnen und einen Bus in London in die Luft sprengten. Sieben Tage lang predigt der 46-jährige vor kenianischen Muslimen, bis die Polizei ihn festnahm. Seitdem versucht Kenia vergeblich, al-Faisal abzuschieben.
Doch über die Inhaftierung des Predigers droht die ohnehin angespannte Lage zwischen Kenias Regierung und den Muslimen im Land zu eskalieren. Mindestens einer kam ums Leben, als die Polizei das Feuer auf einige hundert Jugendliche eröffnete, die nach dem Mittagsgebet am Freitag für die Freilassung von al-Faisal demonstriert hatten. "Wir haben die Demonstration ordnungsgemäß angemeldet", erklärt Okoiti Omtatah von der muslimischen Bewegung Kenianer für Gerechtigkeit und Entwicklung. "Die Polizei hat die Demonstration dennoch verboten, das war gesetzeswidrig."
Unter den Demonstranten, die in Sprechchören die Freilassung al-Faisals fordern, sind zahlreiche Somalis. Einige schwenken schwarze Banner, die denen der radikalislamischen Shabaab-Bewegung ähnlich sehen sollen.
Die Polizei greift hart durch. Sie setzt scharfe Munition, Tränengas und Wasserwerfer ein. Zeitweise ziehen sich die Beamten ganz zurück, als wütende Bewohner mit Steinen und Knüppeln auf die Demonstranten losgehen. Erst spät in der Nacht haben die Straßenkämpfe ein Ende. Bis zu diesem Zeitpunkt, so behauptet die Polizei, stirbt auch ein Polizist.
Innenminister George Saitoti, als Scharfmacher berüchtigt, ist außer sich. "Die somalische Terrorgruppe Shabaab hat die Demonstration unterwandert", sagt Saitoti. "Ausländische Elemente haben geplant, die Lage eskalieren zu lassen, es ging um viel mehr als um einen Protestmarsch." Saitoti kündigt an, man werde mit muslimischen Führern zusammen gegen die Terroristen vorgehen. Omtatah gibt sich nach Saitotis Pressekonferenz skeptisch. "Wenn da Shabaab-Kämpfer unter den Demonstranten waren, warum hat die Polizei keinen festgenommen?"
Die Festnahmen lassen nicht lange auf sich warten. In Eastleigh, dem Stadtteil, der in Nairobi "Klein-Somalia" genannt wird, ziehen Hundertschaften der Polizei in der Nacht zum Montag von Tür zu Tür. 328 angebliche Islamisten werden festgenommen, unter ihnen 15 Abgeordnete des somalischen Übergangsparlaments und ein prominenter Bürgerrechtler, al-Amin Kimanthi. Dieser hatte kurz zuvor gefordert, al-Faisal vor Gericht zu stellen.
Ein Kollege Kimanthis verurteilt am Montag die Festnahme. "Warum wird er festgehalten? Was wird ihm vorgeworfen? Es waren islamische Gruppen, die al-Faisal eingeladen haben, und wir wollen wissen, warum er in Isolationshaft sitzt." Im Schutz der Anonymität erklärt er weiter: "Wir haben befürchtet, dass die Polizei Muslime unter Generalverdacht stellt und verhaftet." Auch somalische Gruppen hatten vor der Razzia vor einer pauschalen Verurteilung aller Somalis im Land gewarnt.
Unklar ist, warum al-Faisal trotz seiner einschlägigen Vorgeschichte erst in Kenia verhaftet wurde. Zuvor hatte er unbehelligt in Nigeria, Malawi, Tansania und Südafrika gepredigt. Im Juni 2008 etwa warf al-Faisal bei einer Predigt in Durban dem Westen vor, selbst Hass gegen den Islam anzufachen. "Die Ungläubigen sind neidisch, und sie haben Angst vor uns", so al-Faisal. Nichts passierte.
Erst jetzt, nach dem misslungenen Versuch des Nigerianers Umar Faruk Abdulmutallab, an Weihnachten eine Passagiermaschine nach Detroit in die Luft zu sprengen, scheinen afrikanische Behörden hellhörig zu werden.
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