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Demonstration in BrüsselEU lehnt Hilfen für Milchbauern ab

EU-Agrarkommissarin Fischer Boel zweifelt an einem Sofortprogramm zur Unterstützung der Milchbauern. In Brüssel demonstrieren 1.000 Landwirte für eine Begrenzung der Milchproduktion.

Milchspritzen gegen die Polizei: Demonstranten äußern ihren Protest gegen zu niedrige Preise auf ungewöhnliche Art. Bild: dpa

BRÜSSEL ap/taz | Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner stößt mit ihrer Forderung nach zusätzlichen EU-Mitteln für die Milchbauern auf Widerstand. EU-Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel erklärte am Montag am Rande einer Krisensitzung zur Lage auf dem Milchmarkt, der EU-Haushalt sei nicht unerschöpflich: "Ich wäre sehr glücklich, wenn die Mitgliedstaaten mir weitere fünf Milliarden Euro für den Milchsektor gäben", sagte Fischer Boel. Daran zweifle sie aber.

Aigner hat zuvor ein Sofortprogramm zur Unterstützung der Milchbauern gefordert, das aus Restbeständen im EU-Agrarhaushalt finanziert werden solle. Wieviel Geld nach Ablauf des aktuellen Haushaltsjahrs Mitte Oktober überhaupt noch übrig sein wird, ist allerdings noch nicht klar. Die EU-Kommission rechnet wegen der Krise auf dem Milchmarkt ohnehin schon mit Mehrausgaben von 600 Millionen Euro in diesem Jahr. Mit diesem Geld finanziert die Kommission den Aufkauf überschüssiger Milchprodukte sowie die Zuschüsse für den Export in Länder außerhalb Europas.

Während der Krisensitzung demonstrierten rund 1.000 Milchbauern vor dem Sitz des Ministerrats in Brüssel. Die überwiegend aus Deutschland, Österreich und Frankreich angereisten Demonstranten machten ihrer Wut mit lautem Kuhglocken-Gebimmel Luft, verbrannten Autoreifen und Heuhaufen. Dabei flogen auch Eier, Glasflaschen und eine Mistgabel durch die Luft.

Die Bauern fordern angesichts der niedrigen Milchpreise seit Monaten eine Einschränkung der europaweiten Produktionsmengen. Bislang wird die europaweit zulässige Milchproduktion durch Milchquoten eingeschränkt, die EU will diese Quoten aber 2015 abschaffen und die Produktionsmengen bis dahin allmählich ausweiten. Die Milchbauern fürchten, dass der Milchpreis darunter noch weiter unter Druck gerät.

Die Überproduktion von Milch müsse beendet werden, fordert Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf, Chef der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). "Die europäischen Milcherzeuger müssen in die Lage versetzt werden, durch koordiniertes Vorgehen die Angebotsmenge der schwankenden Nachfrage anzupassen." Nur so könnten sie kostendeckende Milchpreise aushandeln.

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3 Kommentare

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  • JK
    Juergen K.

    in weiser Voraussicht haben die Regierungen Milchseen und Butterberge subventioniert.

     

    Jetzt werden die Bauern wie alle anderen in die Armut entlassen (ausgnommen natürlich die Konzerne unter den Bauern).

     

    Da ist wohl der Bauern CDU/CSU des Arbeiters SPD.

     

    Schön wär's,

    könnte man wirtschaftlichen Schwachmatismus unterstellen.

     

    Die 20 000 Rinder - Bonzen haben das gewollt.

    Hier ist Absicht!

    Sie brauchen das Geld um die Kleinen aufzukaufen.

     

    Und nur mit solch Grossen kann man die Wirtschaften anderer Länder und Kontinente zerstören.

     

    Aus Hunderten und Tausenden kleinen Molkereien sind die "Mueller-Milch"e geworden.

     

    Ebenfalls mit Steuersubventionen wurden sie stark gemacht. In deren Automatisierungshallen reichen Pausenräume für einstellige Belegschaften.

     

    Denn sie sind es, die 50 % des Steueraufkommens zahlen.

     

    Ähä, ZURÜCKZAHLEN ! Vielleicht jedenfalls zum Teil.

     

    Armut muss wieder wachsen !

    Damit die Wirtschaft stabil bleibt.

     

    Und die Demokratie nicht in Gefahr kommt.

     

    Wohl in die Gefahr der Entscheidung ...

  • BL
    Bettina Luitjens

    Es geht um viel mehr als um die Milch. In Brüssel haben gestern mehrere tausend Landwirte aus den EU-Ländern, in denen es noch bäuerliche Landwirtschaft gibt, um ihre Exsistenz gekämpft. Bei den jetzigen Milchpreisen gehören die traditionellen Familienbetriebe bald den Banken. Investoren werden einspringen und auch in diesem letzten tiergerecht agierenden Bereich einen Systemwechsel erzwingen hin zur industriemäßigen Milcherzeugung. Unsere gewachsenen ländlichen Strukturen werden zerstört. Vielleicht wird in Deutschland auch gar keine Milch mehr erzeugt. Dann können wir sie in Form von Pulver auf dem Weltmarkt erweben.

    Deutscher Bauernverband(DBV) und Bund deutscher Milcherzeuger(BDM) vertreten allein vom Ursprung her völlig unterschiedliche Positionen. Der DBV tritt ein für einen Wachstumskurs, der der Industrie billige Rohstoffe liefern soll, nach dem Motto: die Masse macht's. Traditionell gehören ihm Mitglieder aller Produktionsrichtungen an, die der DBV auch mit Dienstleistungen wie Buchführung und Betriebsberatung versorgt. Milchbauern, die ihre Interessen -nämlich nachhaltige Erzeugung in Familienstruktur- nicht durch den DBV vertreten sahen, haben sich in den letzten Jahren zum BDM zusammmengeschlossen. Die meisten von ihnen sind in beiden Verbänden Mitglied. Die kleinste Einheit des Bauernverbandes auf lokaler Ebene ist nämlich der landwirtschaftliche Zweigverein, der informelle und soziale Funktionen auf dörflicher Ebene erfüllt. Ich habe den Eindruck, dass vielen Berichterstattern und Kommentatoren diese Zusammenhänge nicht geläufig sind.

    Gehen sie doch zu den Milchbauern und schauen sich ihre Betriebe an, bevor sie weiterhin so falsch darüber berichten.

    Bettina Luitjens.

  • BF
    Bernward F. Dürsseldrijp

    Alles Geld, das die EU in den Milchmarkt steckt, ist verschwendet und schadet nur. Wenn sich die Bauernverbände bei Frau Merkel am Tisch noch nicht mal auf eine gedankliche Grundannäherung einigen können, brauchen Sie in Brüssel auch keinen Terz zu machen, so einfach ist das.

     

    Euer Gruppenegoismus nervt gewaltig, ich kann das verlogene Lobbyistengedröhne schon nicht mehr hören.

     

    Viele andere Branchen kommen ohne staatliche Subventionen aus - nur die Tierwirtschaft nicht.