: Demnächst ausgeschmettert?
■ Die Faustballer des Eimsbütteler TV kämpfen gegen den Abstieg aus der ersten Bundesliga – fast unter Ausschluß der Öffentlichkeit Von Olaf Zühlke
Jedes Jahr ist es das Gleiche. „Wir fangen immer mit 0:12-Punkten an“, hat sich Theo Holst, Faustballer beim Eimsbütteler Turnverband (ETV) schon daran gewöhnt, mit seiner Mannschaft das Feld der Männer-Bundesliga Nord von hinten aufrollen zu müssen. Die Erklärung für diese eigenartige Tradition liegt im Liga-Spielplan verborgen: Der ETV startet stets mit vier Auswärtsspielen in die Hallensaison, dann folgen zwei Heimspiele gegen Spitzenteams. Aus Bequemlichkeit übernehmen die greisen Faustball-Funktionäre den Spielplan jedes Jahr aufs Neue, nur die Namen der Auf- und Absteiger werden ausgetauscht. Komische Sitten in einer weitgehend unbekannten Sportart.
Grund zu lachen hat Holst dennoch nicht: drei Siege in elf Spielen langten bislang nur zum vorletzten Platz. Der würde – wie vor drei Jahren auf dem Feld – am Ende den Abstieg bedeuten. Und nun kommt am ersten Spieltag nach der Winterpause Tabellenführer Hannover. „Ein Sieg für uns ist nicht sehr wahrscheinlich“, weiß auch Holst und setzt seine Hoffnung in die letzten vier Saisonspiele gegen mitgefährdete Mannschaften, „es wird schon klappen.“ Wie bisher.
Faustballer runzeln immer vorwurfsvoll die Stirn, wenn man im Gespräch allzu große Unwissenheit offenbart. Schließlich war das traditionsreiche Rückschlagspiel, das seine Wurzeln in der Turnerbewegung hat, noch bis vor wenigen Jahren die drittgrößte Ballsportart in Deutschland. Heute sind immerhin noch 120.000 Aktive bundesweit registriert. Allerdings haben Basket- und Volleyball den Einarmbaggerern – fünf Spieler bilden ein Team – den Rang abgelaufen. Für Holst eine Sache der Medien: Im Fernsehen käme Faustball nicht so gut rüber. Vermutlich auch deshalb findet die nicht-olympische Sportart Faustball, die vornehmlich im deutschsprachigen Raum gespielt wird – bei den bisherigen neun Weltmeisterschaften blieb die deutsche Nationalmannschaft neunmal Sieger – im TV so gut wie nicht statt.
Dabei gab es in den 80ern zahlreiche Regeländerungen, die das Spiel für die Zuschauer attraktiver machen sollten. Das Blocken am Netz wurde zugelassen, in der Halle die starre Spielzeit zugunsten von Gewinnsätzen abgeschafft – bis heute wird nach dem Modus best-of-five gespielt. Die Maßnahmen halfen nicht viel: Auch zu den Heimspielen des ETV kommen meist nur ein paar Dutzend Verwandte und Vereinskollegen.
Eigentlich unverständlich, ist ein Faustballmatch doch sehr dynamisch. Der Ball flitzt beim Aufschlag mit bis zu 180 Stundenkilometern vor die Füße der verdutzten Gegenspieler, wo er – im Gegensatz zum Volleyball – einmal aufprallen darf. Ein weiterer Unterschied zwischen den beiden verwandten Sportarten ist, daß die Spielpositionen nicht durchgewechselt werden. Auch niedriger gewachsene Spieler können beim Faustball mithalten, weil sie nicht nach vorn in den Block gehen müssen.
Dennoch ist Faustball in Hamburg auf dem absteigenden Ast – anders als in Nestern wie Moslesfehn, Osberghausen oder Ohrstedt, die alle in der Bundesliga spielen. Vor sechs Jahren noch war die Hansestadt mit drei Vereinen in der höchsten Klasse vertreten. Auch Spieler des TuS Hamburg und des Altonaer SV droschen auf den Velourlederball ein. Lediglich der ETV ist übriggeblieben, und auch um den Deutschen Vizemeister von 1989 kann man sich sorgen. „Es geht dem Ende entgegen“, beklagt Spieler Torsten Koth. Das Durchschnittsalter der ersten Mannschaft liegt bei 32 Jahren. Theo Holst ist trotz seiner 34 Lenze immer noch der wichtigste Mann für die Offensive. Doch bundesligataugliche Jungtalente, gar ein Nachfolger für den ehemaligen Auswahlspieler, sind nicht in Sicht.
Die Überalterung des Teams hat aber nicht nur Nachteile: Vergangenen Sommer erkämpften die Eimsbütteler die Deutsche Feldfaustball-Meisterschaft in der Altersklasse der Über-Dreißigjährigen. „Das war ein schönes Erlebnis“, erinnert sich Koth, „da waren wir mal die Jüngsten.“
ETV – Hannover, Sonntag um 10 Uhr, Gustav-Falke-Straße
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