: Dem Kosmos einen Tritt!
■ Walter-Serner-Preis 1988
Die Welt will betrogen sein, gewiß. Sie wird aber sogar ernstlich böse, wenn du es nicht tust. - Jeder hat die moralische Verpflichtung auszusterben. - Es gibt schwerlich idiotischere Optimisten als Ri-Ra-Revolutionäre. Weltanschauungen sind Vokabelmischungen. - Erfahrung? Die lange Nase, mit der man stets abzieht, so man nicht spontan darauf ausging, zum Vergnügen sich selber eine zu drehen.
Walter Serner spitz und scharf und böse: der frühe Dadaist, der sich nach Plagiaten der lieben Kollegen von der Gruppe lossagt und Krimimalgeschichten zu schreiben beginnt, kurze, geschliffene und pointierte Einblicke ins Halbwelt-Millieu, deren Personal keiner Moral verpflichtet ist: Betrüger, Diebe, Huren, lose Frauen, Schwadroneure, Hasardeure, Spieler und Hochstapler allesamt. Irgendein Coup wird immer ausgeheckt, ein Wechsel platzt, ein Revolver geht an einer dunklen Ecke los, man huscht davon und verschwindet ins Dunkel. In kleiner Auflage erscheinen Anfang der 20er Jahre die schmalen Bände mit den kriminellen Geschichten, dazu eine Novelle, Die Tigerin , die wir heute gegen die Verfilmungsgelüste Herrn van Ackerens in Schutz nehmen müssen, und ein Theaterstück, Posada, in Barcelonas Barrio Chino angesiedelt, 1927 in Berlin uraufgeführt und anschließend polizeilich verboten. Serners Sprache ist knapp, voller Anspielungen und Tücke. Ich liebe dich. Bitte keine Grobheiten.
Serner wird von der Justiz verfolgt, die Legenden, die er über sich, als Spott auf die hysterische Reaktion der Bürgerlichen auf seine Arbeit, in die Welt gesetzt hat, werden für bare Münze genommen und fügen ihm Schaden zu. Die trucs aus der Letzten Lockerung, Handbrevier für den Hochstapler, muß Serner nun immer öfter selbst anwenden. Er vagabundiert durch Europa, auf der Flucht vor Verfolgung, schreibt keine Zeile mehr, Das beste Buch ist das unterlassene und taucht in Prag unter; seine Spur verliert sich 1942 im KZ Theresienstadt.
Eine der wenigen verdienstvollen Hörfunkmagazine des SFB, Pulp, (jeden letzten Dienstag im Monat, SFB 1, 1905 Uhr), schreibt seit fünf Jahren einen Walter-Serner-Preis aus. Gesichtet und prämiert werden Kriminalkurzgeschichten, die den Geist Serners atmen und in die 80er Jahre transportieren. Zum Lohn winkt nicht Reichtum, sondern Ruhm: Die ausgezeichneten Geschichten werden in einer Pulp -Sondersendung veröffentlicht, zusätzlich lockt der Buchpreis.
Teilnahmebedingungen: Die Kriminalkurzgeschichte sollte nicht länger als 100 Zeilen a 65 Zeilen sein, Einsendeschluß ist der 31.10. 88. Die Story muß geschickt werden an den SFB, Abt. Kultur aktuell, Stichwort „Pulp“, Masurenallee 8 -14, 1000 Berlin 19.
Noch einmal Walter Serner: Ich habe es noch keiner Frau verübelt, nicht Nacht für Nacht denselben Vornamen stöhnen zu wollen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen