■ Dem Frieden in Nordirland läuft die Zeit davon: Teufelskreis
Die Verurteilungen des Mordes an Elizabeth O'Neill – die sterben mußte, weil sie einen Katholiken geheiratet hatte – sind genauso einhellig wie heuchlerisch. Unionistenchef David Trimble, Protestantenpfarrer Ian Paisley und ihre Logenbrüder vom Oranier-Orden sprechen zwar von einer „abscheulichen Tat“, die „zutiefst verurteilt werden“ müsse. Aber sie sind nicht bereit, Konsequenzen zu ziehen.
So ist das Attentat zwar böse, aber die Oranier-Parade über die Garvaghy Road in Portadown bleibt unantastbar. Seit Jahren hat der Orden die Dämonisierung der Menschen in dieser katholischen Straße betrieben. Er verweigerte beharrlich Gespräche. Und auch jetzt finden solche nur über Mittelsmänner statt, weil die Leute von der Garvaghy Road mit der IRA unter einer Decke stecken. Die loyalistische Logik ist dabei frappierend einfach: Wer aus der Arbeiterschicht stammt und Katholik ist, muß IRA-Sympathisant sein. Wer eine solche Botschaft aussendet, darf sich nicht wundern, wenn Fanatiker einen Schritt weitergehen und Anschläge verüben.
Trimble hat wohl ein kurzes Gedächtnis. Einerseits sagt er, daß diejenigen, die den Anschlag auf Elizabeth O'Neill verübt haben, damit das Thema Drumcree ausbeuten. Genau das aber hat der Unionistenchef selbst getan, als er vor drei Sommern bei der Belagerung der Garvaghy Road in vorderster Front stand, anheizte und dafür verhaftet wurde. Im folgenden Herbst wurde er zum Parteichef gewählt.
Trimble besteht auf der Entwaffnung der IRA als Bedingung für den Eintritt von Sinn Féin in die Allparteienregierung. Die Anschläge der Loyalisten nehmen zu. Deshalb rückt die IRA ihre Waffen nicht heraus. Solange Trimble darauf beharrt, destabilisiert er die Lage immer mehr – ein klassischer Teufelskreis, der bis Monatsende kaum zu brechen ist. Dann aber läuft die von Tony Blair gesetzte Frist zur Regierungsbildung in Belfast ab. Und nur vier Tage später wollen die Oranier über die Garvaghy Road marschieren ... Ralf Sotscheck
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