: Dem Blutgold auf der Spur
„Das ist alles Unsinn“, schimpft der Händler. „Politiker haben ihre Finger im Spiel“, sagt der Funktionär. „Was ist falsch daran?“, fragt der Minister. Das Kongo-Goldgeschäft ist in Uganda ein offenes Geheimnis
■ Die Goldförderung der Demokratischen Republik Kongo wird fast komplett undeklariert ausgeführt, sodass ihre genaue Höhe unbekannt ist. Kongos Senat schätzt die jährliche Schmuggelmenge auf 40 Tonnen, unabhängige Quellen in den Goldfördergebieten Ostkongos nennen 100 Tonnen. Ein Kilo Gold bringt 30.000 US-Dollar. Kongo verdient am Goldexport jährlich 1,2 bis 3 Milliarden Dollar, die in keiner Statistik auftauchen und vielfältig eingesetzt werden können. Wichtige Goldgebiete stehen unter Kontrolle ruandischer Hutu-Milizen, die einen Teil der Einnahmen einstreichen.
■ Uganda ist ein wichtiges Transitland für kongolesisches Gold, hat aber auch eine eigene Goldförderindustrie. Nach den letzten verfügbaren Zahlen von 2008 förderte Uganda 1,86 Kilogramm Gold; 1,8 Tonnen Gold wurden demnach nach Uganda eingeführt, zumeist aus dem Kongo, und 1,6 Tonnen ausgeführt. All diese Zahlen dürften die Realität nur bruchstückhaft widerspiegeln. (D.J.)
AUS KAMPALA SIMONE SCHLINDWEIN
„Aurum Roses“ steht auf dem Plastikschild am silbergrauen Eingangstor. Ein Kongolese öffnet die Pforte. Aber nur einen Spaltbreit. Hinter ihm filmt eine Videokamera jeden Besucher. „Der Chef ist nicht da, er ist in Nairobi“, zischt er. Dann knallt er das Tor zu und schiebt von innen den Riegel vor. Wenige Minuten später steigt ein Inder von einem Motorradtaxi. Er zückt sein Handy: „Boss, bist du da?“, fragt er – und schon öffnet sich das Tor.
Das einstöckige Haus in der Kajokya-Straße, hoch oben auf einem Hügel der ugandischen Hauptstadt Kampala, ist berüchtigt. Denn hier wird das Blut vom Kongo-Gold gewaschen. Dies besagt der jüngste Expertenbericht des UN-Sanktionskomitees, das die Einhaltung des Waffenembargos gegen bewaffnete Gruppen in der Demokratischen Republik Kongo überwacht. „Der Großteil wird über Kampala nach Dubai verschifft“, sagt der Autor des UN-Berichts, Dinesh Mahtani. Gold ist die wichtigste Einnahmequelle der irregulären Milizen im Ostkongo, vor allem der ruandischen Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas). Aber auch Kongos Armee verdient kräftig am Schmuggel.
Als die UN-Ermittler im vergangenen Jahr den Spuren des Goldes aus dem Kongo folgten, landeten sie in Kampala in der Kajokya-Straße. Denn hier war einmal der Sitz der Handelsfirma UCI (Uganda Commercial Impex). Deren Schild hing dort, wo heute „Aurum Roses“ steht – „goldene Rosen“.
Das Unternehmen wurde 2007 auf die UN-Sanktionsliste für den Kongo gesetzt. „UCI unterhält regelmäßige Geschäftsverbindungen zu Händlern im Kongo, die enge Kontakte zu den Milizen haben“, so die Begründung des Sanktionskomitees. Seitdem hält man sich in der Kajokya-Straße bedeckt. Das Firmenschild wurde abgeschraubt. Doch die Telefonnummern von UCI und Aurum Roses sind identisch. Und wenn man dort anruft, meldet sich ein Mann mit indischem Akzent: „Ja, was kann ich für Sie tun?“
Die Inder sind in Ugandas Wirtschaft etabliert. Handelsbeziehungen zwischen Ostafrika und Südasien gibt es seit Jahrhunderten, während der britischen Kolonialzeit verlegten indische Arbeiter in Ostafrika Eisenbahntrassen, und indische Geschäftsleute siedelten sich an. 1972, unter der Herrschaft Idi Amins, mussten sie Uganda verlassen, ihre Geschäfte wurden enteignet. Erst der heutige Präsident Yoweri Museveni lud sie Mitte der 90er-Jahre ein, wieder in Uganda zu investieren. Heute importieren sie Waren aus aller Welt, die sie in ihren Supermärkten anbieten. Auch im Baugeschäft mischen die indischstämmigen Familien kräftig mit. Sie gelten als regierungstreue Wirtschaftselite.
Tickets für 50.000 Dollar
Auf UCI angesprochen, reagiert der indischstämmige Firmeninhaber von Aurum Roses, Jamnadas Lodhia, harsch. „UCI ist seit 2007 geschlossen, ich will zu den Anschuldigungen im UN-Bericht nichts mehr sagen“, raunzt er am Telefon. Insbesondere will er nicht erklären, wozu er in nur zwei Monaten, von Mai bis Juni 2009, Flugtickets im Wert von 50.000 Dollar erstand, um zwischen Burundi, Uganda, Kenia und Indien hin und her zu fliegen. Genervt legt er auf.
Doch für die Nachbarn in der Kajokya-Straße bleibt der Inder, der unter dem Spitznamen „Chuni“ bekannt ist, der „Dealer“: „Natürlich wird dort nach wie vor Gold umgeschlagen“, sagt ein Nachbar. Der Mann zeigt die Straße hinunter. In der Seitengasse gebe es einen weiteren Goldhändler. Dort, vor dem rostbraunen Eisentor in der Bukoto-Straße, verhandelt ein Mann im typisch kongolesischen knallbunten Hemd auf Swahili, einer ostafrikanischen Sprache, die auch im Ostkongo gesprochen wird, mit dem Torwächter. Es geht um eine Lieferung, die noch nicht bezahlt wurde.
Preis vom Präsidenten
Auch ein paar Straßen weiter, in der Bukoto-Gasse, will niemand über den Firmenzweck Auskunft geben. Der indische Angestellte, der seinen Namen nicht nennen will, schaltet hastig den Computerbildschirm aus. Die Plakette an der Wand kann er nicht so schnell verschwinden lassen: ein Investorenpreis für die Firma Machanga Limited, überreicht durch Präsident Museveni.
Die Handelsfirma Machanga steht ebenfalls seit 2007 auf der UN-Sanktionsliste, ebenfalls wegen Handels mit Kongo-Gold. „Das ist alles Unsinn“, regt sich später am Telefon Firmendirektor Rajandra Vaya auf. Er habe das Goldgeschäft im Jahr 2007 eingestellt und handle nun mit Plastik, erklärt er. Und vor wenigen Monaten eröffnete er Vaya Forex, eine der größten Geldwechselstuben in Kampala.
Geldwechselstuben sind optimal, um mit großen Mengen Bargeld in verschiedenen Währungen zu hantieren. Ein Verwandter Vayas, Jiggar Kumar, arbeitet laut UN-Ermittlungen in einer Geldwechselstube in Dubai, dem Asian Exchange Centre. Kumar war 2008 auf der Lieferantenliste von Emirates Gold verzeichnet, einer der größten Goldraffinerien in Dubai.
Und auch der Inder, der nach rund einer Stunde Aufenthalt bei Aurum Roses wieder auf sein Motorradtaxi steigt, unterhält eine Wechselstube: H. P. Forex, nahe der staugeplagten Hauptstraße. „Die Inder machen dort seltsame Geschäfte“, flüstert der Fahrer des Taxis. „Der Geheimdienst bezahlt mich, wenn ich Berichte darüber abgebe.“
Erwartungsgemäß will in der Geheimdienstzentrale niemand so recht damit herausrücken, warum die Inder ausspioniert werden. Aber auf die Goldgeschäfte angesprochen, reagiert ein hochrangiger Offizier mit Schulterzucken: „Wir können doch nicht alle Geschäftsleute überwachen“, sagt er und fügt hinzu: Es sei unmöglich, nachzuprüfen, woher das Gold stamme – ob aus dem Kongo oder aus Uganda selbst.
Der Großteil des Goldes, das aus dem Kongo über Kampala geschmuggelt wird, stammt laut UN-Expertenbericht aus den Minen tief im Dschungel westlich von Kasugho in der ostkongolesischen Provinz Nordkivu sowie aus der Region Ituri – nicht weit von der ugandischen Grenze. Die Goldminen in Ostkongos Kivu-Provinzen werden laut UNO nach wie vor von den ruandischen FDLR-Milizen kontrolliert. Sie tauschen das Gold von den Minenarbeitern gegen Seife, Plastiksandalen, Waschschüsseln oder Bier – Waren, die aus Uganda nach Ostkongo eingeführt werden.
Die FDLR-Rebellen wiederum verkaufen das Gold über Zwischenhändler an eine im Kongo eingetragene Firma, Glory Minerals, mit Sitz in Butembo, dem großen Handelsknotenpunkt Ostkongos. Glory Minerals hat in Butembo drei Büros und unterhält ein lokales Monopol im Goldhandel. Ein Dokument vom Januar 2009, unterzeichnet von dem lokalen Chef der Minenbehörde, Kabila Kakule, fordert alle Goldhändler in der Region auf, „alle Waren nur noch an diese drei Büros zu verkaufen, von wo aus sie dann exportiert werden“. Glory Minerals ist die einzige Handelsfirma in der Region mit einer Goldexportlizenz.
Nicht nur die Milizen machen mit dem Gold Profit. François, der seinen Nachnamen nicht nennen möchte, macht es sich auf seiner Veranda in Kampala gemütlich. Es ist Nachmittag, seine Tochter tollt um den Geländewagen in der Hofeinfahrt herum. Der Mann aus Kamerun, der seit 15 Jahren in Uganda lebt und mit einer Kongolesin verheiratet ist, öffnet eine Flasche Whiskey. Die Eiswürfel klirren im Glas. „Ich habe einen großartigen Deal gemacht.“ François handelt seit mehr als zehn Jahren mit Gold. Derzeit, so sagt er, läuft das Geschäft besonders gut. Er kaufe im Kongo für 15 bis 20 Dollar pro Gramm. In Kampala sei das Gramm bereits 25 Dollar wert. In Dubai sogar 30 bis 40 Dollar.
„Wie Kuchen backen“
Verzollt er das Gold auch? Der Kameruner lacht. Eine wahnwitzige Idee: „Ein Paket Goldstaub ist so klein, das kann man doch leicht verstecken.“ Die Zollkontrollen an der Grenze zwischen Kongo und Uganda seien lasch und die Beamten ohnehin bestechlich. In Kampala schmelze er den Staub ein. „Wir haben hier viele Formen, in die das flüssige Gold gegossen wird, wie wenn man einen Kuchen backt“, erklärt er. Größere Mengen schmelze er in die Form eines Mobiltelefons oder auch eines Uhrarmbands, das er am Handgelenk trägt, wenn er das Flugzeug nach Dubai besteigt.
Fragt man François nach den Goldhändlern Vaya und Lodhia, zieht der Kameruner ehrfürchtig die Augenbrauen hoch. „Diese Familien sind seit Generationen im Geschäft“, berichtet er. Ihre Familienbande erstrecken sich inzwischen vom Kongo über Ostafrika bis auf die arabische Halbinsel. Dass sie aus dem Goldhandel ausgestiegen sind, daran zweifelt er.
Die UN-Ermittler glauben, dass die beiden Geschäftsmänner lediglich ihre Firmen umbenannt oder neu registriert haben. „Wenn man Firmen sanktioniert und nicht deren Direktoren, dann ist es leicht, einfach eine neue Firma zu eröffnen und die Geschäfte weiterzuführen“, sagt UN-Ermittler Mahtani. Im UN-Bericht deutet Mahtani an, dass die Geschäfte der Inder in Kampala von hochrangigen Offizieren der Armee und des Geheimdienstes gedeckt werden.
Der Handel mit Kongo-Gold ist in Uganda kein neues Geschäft. Während der beiden Kongokriege 1996/97 und 1998/2003 stand die Armee Ugandas im Ostkongo. Selbst laut ugandischen Untersuchungsberichten waren hochrangige Offiziere tief in den Rohstoffhandel verwickelt. Viele sind dadurch reich geworden und stellen bis heute die Geschäftselite in Kampala, die den Außenhandel kontrolliert. Zu diesen „Big Man“ zählt auch Präsident Musevenis jüngerer Bruder und Militärberater, den alle nur unter seinem Kriegsnamen Salim Saleh kennen. Auch Exarmeechef James Kazini, der im November mutmaßlich von seiner Geliebten mit der Brechstange erschlagen wurde, gehörte zu den Extrareichen in Kampala – dank der Geschäfte mit dem Kongo.
Unantastbarer Minister
Auch Kahinda Otafiire ist für Geschäfte mit kongolesischen Rohstoffen berüchtigt. Während des zweiten Kongokrieges war er ugandischer Präsidentenberater. Im Jahr 2003 führte die UNO Otafiire auf ihrer Sanktionsliste wegen illegaler Ausbeutung von Kongo-Mineralien. Doch Otafiire ist unantastbar, so scheint es: Heute ist er Minister für Handel, Industrie und Tourismus und wird als Präsidentennachfolger gehandelt.
Wer von der ugandischen Regierung eine offizielle Stellungnahme zum jüngsten UN-Expertenbericht einholen will, der wird vom Pressezentrum des Präsidenten an Otafiire weiterverwiesen – ganz so, als habe dieser noch heute das Sagen im Kongo-Geschäft. Der mürrische Mann hockt gebeugt in einem Ledersessel in seinem Büro. An der Wand hängen zwei Porträts: das eine von Präsident Museveni, das andere von ihm selbst – ein eindeutiges Machtsymbol.
„Was ist falsch daran, wenn ein Geschäftsmann Gold aus dem Kongo kauft?“, sagt er genervt. Die Kongolesen seien dafür verantwortlich, das Gold zu versteuern, nicht er. „Die Menschen da drüben würden doch glatt verhungern, wenn wir unsere Grenzen dicht machen würden“, merkt er an. „Wir liefern denen doch im Austausch Lebensmittel und sonstige Haushaltswaren“, sagt er verschmitzt: „Das ist doch auch profitabel für uns.“
Immerhin bringt der Goldexport dem ugandischen Staat satte Devisen ein. Gold steht auf der Exportstatistik 2008 an sechster Stelle, unter anderem nach Kaffee und Zement. Ein Teil wird über den Flughafen in Entebbe bei Kampala eingeflogen, berichtet ein hochrangiger Funktionär der Minenbehörde. Manchmal legen Händler am Zoll gefälschte Herkunftszertifikate aus dem Kongo und ugandische Ausfuhrlizenzen vor. Allein in diesem Jahr kam das bereits fünfmal vor. „Wir haben keine Kapazitäten, stets zu prüfen, ob die Papiere echt sind“, klagt der Funktionär.
Und: Es gebe am Flughafen Menschen, „die sind unantastbar“, so der Funktionär. Dazu gehöre Joseph Zziwa, genannt Captain Roy. Der einflussreiche ugandische Geschäftsmann unterhält am Flughafen die Frachtfirma DAS Handling Services, mit eigenen Transportflugzeugen, die regelmäßig Landepisten im Kongo anfliegen. Die UN-Ermittler verfügen über Telefon-Loglisten eines kongolesischen Mittelsmanns, Bande Ndagundi, der für bewaffnete Banden im Ostkongo Waffen besorgt und für die FDLR Goldgeschäfte abwickelt. Von April bis September 2009 hat Ndagundi 41-mal mit Captain Roy telefoniert. Schmuggeln Roys Flugzeuge Gold nach Kampala? „Das ist doch alles Müll“, faucht er am Telefon und legt auf.
„Der Rest wird ignoriert“
Der Großteil des illegalen Goldgeschäfts wird auf dem Landweg abgewickelt, über die porösen Grenzen zwischen Kongo und Uganda. Ein Geheimdienstoffizier der Grenzposten im Nordwesten Ugandas berichtet: „Wir prüfen nur diejenigen Ladungen, die Händler auf den Ausfuhrpapieren deklarieren – der Rest wird ignoriert.“ Die lukrativste Schmuggelgrenze sei der Übergang Bunagana in den Vulkanbergen im Dreiländereck mit Kongo und Ruanda. „Hochrangige Politiker auf ugandischer und kongolesischer Seite haben hier ihre Finger im Spiel“, sagt der Informant von der Minenbehörde.
All dies regt Kongos Botschafter in Uganda, Jean-Charles Okoto, nicht weiter auf. Im Gegenteil: Er macht eher den Eindruck, als sei er selbst im Goldrausch. Träge lehnt der füllige Mann in seinem gewaltigen Ledersessel hinter dem Mahagonischreibtisch. An seinem Handgelenk prangt eine massive goldene Uhr. Sein goldenes Brillengestell reflektiert die Sonnenstrahlen, die in das Büro fallen.
Okoto war 1998–99 Kongos Außenminister, als das Land gegen Uganda und Ruanda kämpfte, und danach drei Jahre lang Chef des staatlichen Diamantenmonopolisten Miba. In dieser Funktion soll er, so warfen ihm später belgische Ermittler vor, 80 Millionen Dollar zum Kauf von Waffen und Munition in der Ukraine veruntreut haben. Er verlor 2002 seinen Posten. Aber im Juni 2009 wurde er Botschafter in Uganda. In seiner Antrittsrede verkündete er: Es sei nun an der Zeit, die Geschäfte zwischen den beiden Ländern zu fördern.
„Es ist doch ganz normal, dass das Gold durch Uganda transportiert wird“, erklärt der Botschafter ohne Umschweife. Okoto kennt den Grenzposten Bunagana wie seine Westentasche. Er stammt aus der nahen Stadt Rutshuru in Nordkivu, wo der Grenzschmuggel der einzig wirklich funktionierende Wirtschaftszweig ist. Er gibt zu: Sein Land verliere durch den Schmuggel wichtige Steuereinnahmen. Doch sei es derzeit wichtig, die Beziehungen zwischen den Nachbarländern auszubauen, sagt er und wechselt schnell das Thema: Er redet lieber über Obst- und Fleischimporte.