: Deichbruch für joblose DASA
■ Planungschaos in Finkenwerder: Neßhauptdeich soll gesperrt werden, damit Airbusse durch den Deich fahren können Von Heike Haarhoff
„Das gibt ein Planungstorso wie in Altenwerder.“ Für die umstrittene Werkserweiterung der Daimler Benz Aerospace Airbus GmbH (Dasa) in Finkenwerder sieht Helmke Kaufner, GAL-Fraktionsvorsitzende in Mitte, schwarz – juristisch wie ökologisch, finanz- und verkehrspolitisch. Schon im Frühjahr 1997 will die Stadtentwicklungsbehörde (Steb) das Bebauungsplan-Verfahren „bis zur Vorweggenehmigungsreife“ durchgepeitscht haben. Dasa könnte dann die Abstellflächen für Airbusse südlich des Neßhauptdeichs um 35 Hektar vergrößern – ohne Aussicht auf neue Arbeitsplätze.
Hinter dem Behörden-Optimismus verbirgt sich das größte anzunehmende stadtplanerische Grauen, zu dessen förmlicher Einleitung die Steb den Stadtplanungsausschuß Mitte am 10. April nötigen will: die Aufstellung des neuen B-Plans Finkenwerder 35. Bisher zur landwirtschaftlichen Nutzung ausgewiesene, von der Stadt an die Dasa verpachtete Fläche soll zum Gewerbegebiet mit Flugzeugparkplätzen und Lärmschutzhallen werden.
„Ökologische und lärmtechnische Bedenken“ schließt Steb-Sprecher Bernd Meyer aus – und preist als „Ausgleichsmaßnahme für die Naturzerstörung“ ausgerechnet die Öffnung der Alten Süderelbe an. Die sollte bekanntlich bereits für Altenwerder herhalten – und ließ die Hafenerweiterung juristisch scheitern: Das nötige Planfeststellungsverfahren fehlt ebenso wie die Umweltverträglichkeitsprüfung. Um die nachzuliefern, verstreicht „mindestens eine Vegetationsperiode“, höhnt Herbert Nix vom Förderkreis Rettet die Elbe.
Ratlos sehen die Behörden auch der Verkehrslawine entgegen, die Finkenwerder kilometerlang verstopfen wird: Achtmal stündlich, schätzt Dasa-Pressereferent Rolf Brandt, wird der Neßhauptdeich, Hauptverbindung ins Alte Land, künftig minutenlang für den Durchgangsverkehr gesperrt werden müssen. Die genervten Autofahrer werden zusehen können, wie Dasa-Flugzeuge den Deich queren. Wenn das hierzu in den Deich eingebaute „Gatt“ – ein 85 Meter breites und 2,90 Meter hohes Tor – geöffnet wird, muß der Verkehr ruhen. Zum alleinigen Nutzen der Dasa, dafür aber zu vollen Kosten für die Stadt: Zwölf Millionen Mark, heißt es aus dem Amt für Strom- und Hafenbau, mache die Stadt für das Gatt locker.
Schon heute, gesteht Baubehörden-Sprecher Jürgen Asmussen, staue sich der Verkehr am Neßhauptdeich zu Spitzenzeiten oft kilometerlang; bis zu 18.500 Fahrzeuge täglich brettern über den Deich. Doch anstatt – wie geplant – die Werkserweiterung zeitgleich mit dem Bau der Ortsumgehung Finkenwerder durchzuführen, wurden die beiden Verfahren jetzt entkoppelt: „Aus Zeitgründen mußten wir unseren Antrag vom Mai 95 verwerfen“, bedauert die SPD-Bezirksabgeordnete Jutta Vick. Damals hatte ihre Partei gefordert, eine Umgehungsstraße über Francop und Neuenfelde zeitgleich mit der Dasa-Erweiterung auszubauen. Doch nichts geschah: „Wir können erst Straßen bauen, wenn der B-Plan geändert ist“, weist Baubehörden-Sprecher Jürgen Asmussen jede Schuld an der Verzögerung von sich. Sobald der Planfeststellungsbeschluß aber da sei, werde man loslegen: Bauzeit drei Jahre.
Unklar ist inzwischen selbst, wann, wo und ob es überhaupt jemals eine Umgehungsstraße geben wird: „Das hängt von der Haushaltslage im nächsten Jahr ab“, will Asmussen nicht zuviel versprechen. Rund 50 Millionen Mark würde allein eine Trasse um das Werksgelände verschlingen – von dieser abgespeckten Version der Ortsumgehung wollen GAL und SPD im Bezirk aber nichts wissen: „Die würde viel zu nah an die benachbarten Kleingärten reichen“, schimpft Vick.
Das sei die Rettung der Dasa-Arbeitsplätze der Stadt eben wert, rechtfertigen Bau- und Stadtentwicklungsbehörde verkehrspolitische Schizophrenie und hohe Investitionen. Doch neue Jobs, macht Dasa-Referent Brandt klar, „wird es nach der Erweiterung nicht geben“. Selbst den Erhalt der knapp 6.000 Arbeitsplätze, die in Finkenwerder in Post-Dolores-Zeiten verbleiben sollen, mag die Dasa der Stadt nicht vertraglich garantieren. Aber: „Sollte die Erweiterung nicht pünktlich erfolgen, geben wir natürlich nicht den Standort auf“, widerlegt Brandt Behörden-Panikmache.
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