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DebatteGeschmacksfrage?

■ Kunst-Freiheit oder Diskriminierung: Wie provokant dürfen Karikaturen sein?

Nicht nur in der LeserInnenschaft, sondern auch in der taz-Redaktion hat die Zeichnung, mit der Till Mette vor zwei Wochen auf dieser Seite den Sex-Skandal um den US-amerikanischen Präsidenten Bill Clinton karikiert hatte, für Diskussionsstoff gesorgt: Gelten nicht auch für Satire und Karikatur – die definitionsgemäß überzeichnen und verletzen müssen – Grenzen des guten Geschmacks oder der politischen Korrektheit? Aber was ist andererseits mit der Freiheit der Kunst?

Wir möchten die Debatte öffentlich führen und veröffentlichen hiermit als Einstieg eine Zusammenfassung der ersten Reaktionen.

„Wir finden Ihre ,witzige' Darstellung eines politischen Themas sehr unpassend. Die sexistische Art ist frauenfeindlich und menschenunwürdig. Eine derartig diskriminierende Karikatur ist in einer kritischen und offenen Zeitung erschreckend“, schreibt Wilfried Voortmann aus Ottersberg und schickt eine Liste von 16 LeserInnen, die die Kritik unterstützen. Allgemeiner Tenor: „Ich halte mich nicht für prüde. Die Karikatur ist aber unmöglich und einer Zeitung wie der Ihren unwürdig.“Die freundlichsten Stellungnahmen lauten „Platzverschwendung“und „Manchmal ist keine Karikatur besser als eine schlechte“, die meistgenannten Vorwürfe: „widerlich und geschmacklos“. Gitti Kröger findet die Umsetzung „politisch nicht einmal aussagekräftig“.

Almut Schunck aus Bremen kritisiert „zunächst inhaltlich: Der Zusammenhang von Sex-Skandal, Machterhalt und drohendem Krieg ist nicht erkennbar, so richtet sich die Darstellung nicht gegen Clinton, sondern gegen Frauen? Zu mir: Der Brief von Frau Voortmann (am 3.2. in der „Liebe taz“-Spalte – die Red.) war Anlaß, die Karikatur mit weiteren Mitarbeitern der Bremer VHS zu diskutieren (...). Bis auf einen Kollegen war die Reaktion einhellig ablehnend bis entsetzt. Meine eigene Wut (durchsetzt mit Zweifeln, ob ich vielleicht prüde reagiere – nach 15 Jahren gewerkschaftlicher Bildungsarbeit mit Kollegen aus dem Hafen und den Werften eher unwahrscheinlich!), verwandelte sich zunehmend in ,Beschämung– – zuletzt habe ich mich schmuddelig gefühlt. Wirklich, wie hätte die Sätzerin diese Darstellung kommentiert?“

Renate Wussing aus Braunschweig fordert Konsequenzen: „Die menschenverachtende Karikatur hat mir gezeigt, daß in der Tazredaktion (nur in Bremen?) Verantwortliche sitzen, die aus spätpubertären Verhaltensweisen noch nicht herausgewachsen sind. Eine seriöse politische Einschätzung wichtiger Sachverhalte ist von solch unreifen Menschen nicht zu erwarten (...). Schade! Wir werden diesen Skandal im Freundeskreis besprechen, und ich werde diesen Brief der Hauptredaktion zur Kenntnis geben.“

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