Debatte um früheres Kinderkriegen: Ähhhh lieber doch nicht
Früh Kinder kriegen – Frauen sollen mal wieder die Welt retten. Dabei sind nicht sie das Problem, sondern der Mann. Der benimmt sich häufig wie ein weiteres Kind.
BERLIN taz | Frauen sollen mal wieder. Kinder kriegen. Am besten ganz früh, damit sie dem Arbeitsmarkt mit Mitte vierzig wieder voll zur Verfügung stehen. Damit es vielleicht doch noch was wird mit der Karriere. Damit sie überhaupt noch Nachwuchs in die Welt setzen. Der Spiegel hat das unlängst vorgeschlagen, sich dann selbst daran abgearbeitet – ebenso Zeit Online. Doch Timing ist nicht alles.
Angenommen, eine Frau möchte ihre Kinder nicht mit zwanzig Jahren, sondern eher mit Mitte zwanzig bekommen – dann ist das Kind am vierzigsten Geburtstag nicht aus dem Haus, sondern mitten in der Pubertät. Und wenn es nicht das einzige Kind bleiben soll, die Geschwister entsprechend jünger.
Studieren mit Kind ist durchaus eine Option, die besonders Eltern aus der Ex-DDR propagieren, aber der verschulte Bachelor macht das nicht leichter. Berufseinstieg oder Praktika, wenn das zweijährige Kind um vier Uhr aus der Kita geholt werden will, so es denn einen Kitaplatz hat, da kassiert man schon beim Bewerbungsgespräch eine Menge Absagen.
Und im Job bleibt Eltern in Deutschland nichts anderes als eine Teilzeitstelle übrig, weil Arbeitszeiten nach 18 Uhr normal sind. Selbst in Unternehmen, die sich Familienfreundlichkeit propagieren, wird eine Chefin, die innerhalb der Kita-Öffnungszeiten kommt und geht, nicht ernst genommen.
Und selbst wenn die Kinder bereits allein nach Hause kommen – Hausaufgaben sollen kontrolliert und das Essen gekocht werden. Die Frage, wer derweil die Familie ernährt, führt dann schnell wieder zum traditionellen Familienmodell und zu Frust sowohl beim Alleinversorger als auch bei der Zwangshausfrau.
Die Unternehmenskultur muss sich endlich ändern – diesen Spruch kennen wir seit Jahren, aber seit Jahren passiert nichts. Was sich vor allem ändern muss, ist die Idee, das alles sei ein Frauenproblem.
Lange Elternzeit, Karriereknick, Kinderlosigkeit – Frauen baden diese Probleme zwar aus, verursacht haben sie sie meistens nicht.
Er schreibt ein Wickelbuch
Nach wie vor sind die Väter vornehmlich an den Wochenenden auf dem Spielplatz zu finden, während von Montag bis Freitag wie vor fünfzig Jahren hauptsächlich die Muttis dort rumsitzen, wie es Elisabeth Badinter entsetzt in ihrem Buch „Der Konflikt“ beschreibt.
Nur jeder fünfte Vater beantragt Elterngeld, kaum einer bleibt länger als zwei Monate zu Hause. Und wenn, dann schreiben sie darüber gleich ein Väter-Wickelbuch, während die Schwiegermutter babysittet.
Denn wenn Männer sich schon ins finstere Hausfrauenreich vorgewagt haben, möchten sie für diese Großtat auch Anerkennung. Und wenn sich Frauen nun wünschen, dass es einfach normal ist, die Aufgaben zu Hause paritätisch aufzuteilen? Kein Lob statt dessen Gemecker, wenn mal was nicht so gut läuft. Da lassen es ihre Partner lieber gleich mit der Verantwortung.
Doppelte Arbeit
Gedacht war das alles mal anders: Frauen sollten von der männlichen Dominanz befreit und beruflich und familiär gleichberechtigt werden. Stattdessen arbeiten sie nun doppelt.
Den Männern wird seit Jahren in Feuilleton und Büchern gesagt, sie seien im Zuge der Emanzipation verweichlicht. Manche mögen sich darüber noch aufregen, vielerorts wird dieses Image inzwischen dankbar angenommen. Es lebt sich so schön unverbindlich damit.
Wenn eine Frau gleichberechtigt leben will, soll sie gefälligst auch die Last der Verantwortung übernehmen. „Du willst Kinder, aber auch arbeiten? Na nur zu … ich mach derweil mein Ding.“
Daddelnde Väter
Frauen übernehmen immer häufiger die traditionellen Aufgaben der Männer. Sie gehen arbeiten und reparieren die Klospülung, während die Männer im Gegenzug sich nicht nur kein neues Aufgabenfeld erschließen, sondern regressiv mit der neuen Spielkonsole japanischer Produktion daddeln, die eigentlich den Kindern gehören sollte.
Vielleicht ist das bei der so genannten Unterschicht anders. Aber da, wo die bürgerliche Mittelschicht zu Hause sind, suchen viel zu viele Männer permanent nach dem nächsten Kick und fühlen sich mit der Überprüfung der eigenen Befindlichkeiten vollkommen ausgelastet – keine guten Voraussetzungen für die Familiengründung.
Eltern sein hat nichts mit Selbstverwirklichung zu tun. Dennoch sehen sich Frauen oft Männern – Schlüsselkette an der beuligen Jeans, gern ein Musikinstrument um den krummen Rücken gehängt, Resthaare in die Stirn gekämmt – gegenüber, die da stehen und sagen: „Sowohl, als auch, nö, ja, ähhh … lieber doch nicht.“ Das ist kein Partner, sondern ein weiteres Kind.
Gestresster Hausdrache
Die Folge: reihenweise Trennungen, denn dass die adrette Partnerin wegen Überforderung zum Hausdrachen mutiert, war nicht vorgesehen. Doch wie soll man denn dem biologischen Impuls, sich fortpflanzen zu wollen, nachgeben, wenn man ständig damit rechnen muss, ausgetauscht zu werden, und darauf angewiesen ist, selbst finanziell jeder Zeit abgesichert zu sein. Da will das Nestbau-Feeling nicht so richtig aufkommen.
US-Forscher bestätigten dies, als sie untersuchten, warum Frauen heute unglücklicher sind als vor vierzig Jahren. Demnach arbeiten Männer heutzutage weniger und entspannen mehr als damals, während Frauen inzwischen von sich selbst verlangen, dem modernen Frauenbild entsprechend beruflich erfolgreich, schön und die perfekte Mutter zu sein – sie laufen in einem stetigen Stressmodus.
Der Faktor Berufstätigkeit ist dazugekommen, die alten Strukturen sind geblieben. Es gibt nichts zu vereinbaren, nur zu addieren.
Ja, es gibt auch Väter, die gern Zeit mit ihren Kindern verbringen, nicht nur, weil sie bei der Fifty-fifty-Regelung so gut wie keinen Unterhalt zahlen müssen. Die gern eine 30-Stunden-Woche hätten und für ihr krankes Kind zu Hause bleiben würden.
Noch bestimmen die Männer
Doch das wird nicht gern gesehen, Teilzeit geht für Männer in interessanten Jobs so gut wie gar nicht, und ein Jahr Elternzeit für Väter ist für Firma und Freunde häufig ein kleiner Skandal.
Solange Frauen versuchen, sich einem Arbeitsmarkt anzupassen, der von Männern bestimmt ist, die selbst den Elternjob nicht machen wollen, sind die Chancen, dass demnächst in Deutschland mehr als 1,4 Kinder pro Frau im Durchschnitt geboren werden, gering. Hier muss sich tatsächlich etwas ändern – wo bleibt noch mal die Quote für Führungsposten?
Einen Wunsch an die Adresse der Frauen gibt es dann doch noch, besonders an jene, die gern Texte darüber schreiben, wie andere Frauen leben sollten: Hört auf damit!
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