Debatte über Doppelhaushalt: Gescheiterte Abrechnung
Die gesammelte Opposition von rechts bis links beißt sich in der Generaldebatte der Bürgerschaft an SPD-Bürgermeister Olaf Scholz die Zähne aus.
HAMBURG taz | So arg schwierig ist es für die SPD nicht, sich als Sachwalter Hamburgs aufzuspielen. Zwei Kritiker von links, zwei von rechts – da fällt es den mit absoluter Mehrheit regierenden Sozialdemokraten leicht, in der Generaldebatte der Bürgerschaft über den Doppelhaushalt für die nächsten beiden Jahre (siehe Kasten) am gestrigen Montag ihren Kurs des „weiter ordentlich Regierens“ als goldenen Mittelweg zu verkaufen. Zwei Monate vor der Bürgerschaftswahl offenbarte die gesammelte Opposition ihr größtes Problem: Es heißt Olaf Scholz.
Weniger Schulden und härter sparen, fordern CDU und FDP. Weniger Schulden und weniger sparen, finden die Grünen, mehr Schulden und weniger sparen, sagen die Linken – Schulden langsam abbauen, ohne die Stadt kaputtzusparen, sagen SPD und ihr Bürgermeister. Und besetzen damit den Platz, der in Deutschland und in Hamburg als Platz der Sieger gilt: die politische Mitte.
Wohnungsbau und Straßensanierung, Investitionen in Schulen und Hochschulen, Fahrradwege oder U-Bahnen, mehr Geld für Kitas und Flüchtlinge – durch alle Ressorts und Themen debattiert die Bürgerschaft seit gestern und noch bis morgen das entscheidende Thema: mehr rote oder mehr schwarze Zahlen? Für den blassroten SPD-Bürgermeister Olaf Scholz, der siegesgewiss in die Bürgerschaftswahl im Februar geht, ist die Antwort klar: „Es gibt zur Konsolidierung des Haushaltes keine Alternative.“
Seinen Entwurf des Doppelhaushalts 2015 und 2016 präsentierte der Senat Ende Juni. Seitdem wird er in den Ausschüssen der Bürgerschaft beraten, jetzt steht die Abschlussdebatte im Plenum an.
Etat: Der Entwurf sieht für 2015 Ausgaben von 12,270 Milliarden Euro vor, in 2016 sollen es 12,384 Milliarden Euro sein.
Defizit: Die Finanzierungslücke soll von 359 Millionen Euro in diesem Jahr auf 231 im nächsten und 112 Millionen in 2016 sinken.
Schwarze Null: Ab 2017 soll der Haushalt auch ohne neue Schulden ausgeglichen sein. Die Stadt würde somit die für 2010 geforderte Schuldenbremse vorzeitig einhalten können.
Verschuldung: Liegt mit etwa 25 Milliarden Euro in der Höhe von zwei Jahreshaushalten. Pro Einwohner macht das 14.000 Euro. Allein die Zinslast beträgt in diesem Jahr etwa 950 Millionen Euro und soll im nächsten nur noch 740 Millionen Euro betragen.
Tilgung: Ab 2018 könnte mit der Schuldentilgung begonnen werden, was wiederum die Zinslast mindern würde.
Und wenn CDU-Fraktionschef Dietrich Wersich das Busbeschleunigungsprogramm „Verkehrsideologie“ und die versprochene U-Bahn für Lurup bis 2040 „Wählertäuschung“ nennt, prallt das locker an der SPD ab. „Warum erwähnen Sie unser erfolgreichen Wohnungsbauprogramm nicht, Herr Wersich?“, fragt rhetorisch SPD-Fraktionschef Andreas Dressel und gibt sich dann die Antwort selbst: „Weil die CDU zehn Jahre lang nichts für bezahlbare Wohnungen gemacht hat.“
Der grüne Fraktionschef Jens Kerstan beschwört die Stadtbahn, schimpft die SPD-Politik der vergangenen vier Jahre „umweltfeindlich und unsozial“, nennt die Haushaltspolitik „unsolide“ und schafft es dennoch, eventuelle Koalitionsverhandlungen mit der SPD nach der Februar-Wahl nicht jetzt schon mit zu bösen Vorwürfen zu belasten.
Eben diesen Spagat übersteht auch FDP-Spitzenfrau Katja Suding ohne Zerrung. „Hamburg verscholzt und hat keine mutigen Zukunftskonzepte“ ist keine Kritik, mit der Suding sich die Option auf einen rot-gelben Senat verscherzen würde, sollte die FDP die nächste Wahl doch überleben.
Und selbst die sonst so kampfeslustige Fraktionschefin der Linken, Dora Heyenn, warf der SPD eher pflichtschuldigst eine „Politik nach Gutsherrenart“ vor. „Wenn man der Opposition so zuhört, kommt man zu dem Schluss“, so das Fazit von Olaf Scholz, „dass der SPD-Senat seine Arbeit vier Jahre lang gar nicht so schlecht gemacht hat.“
Am Bürgermeister, das zeigte die Debatte, biss sich die gesamte Opposition die Zähne aus. Kann ja ein lustiger Wahlkampf werden.
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