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Debatte ZuschussrenteAltersarmut bleibt weiblich

Kommentar von Ursula Engelen-Kefer

Von der Leyens Zuschussrente hilft nicht. Gerade die Frauen, die ihr angeblich am Herzen liegen, werden durch den Rost fallen.

Statistisch ärmer ins Alter: Frauen werden wirtschaftlich mehrfach diskriminiert. Bild: dpa

M it ihrem öffentlichen Aufschrei über die drohende Altersarmut in der Mitte der Gesellschaft will Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen ihre Zuschussrente von 850 Euro für langjährig beschäftigte Geringverdiener durchsetzen.

Kommt ihr Vorschlag durch, werden jedoch gerade die Frauen, deren Alterssicherung von der Leyen zu ihrem Herzensanliegen erklärt, erneut durch den Rost fallen. Mit 35 Beitragsjahren und 40 Jahren Riesterrente sind gerade für sie die Voraussetzungen für eine Zuschussrente zu hoch.

Derzeit erhalten Frauen Niedrigrenten von durchschnittlich 529 Euro, selbst bei langjährig Versicherten sieht mit 600 Euro die Lage nicht viel besser aus. Frauen erhalten somit den Großteil der Armutsrenten.

Noch höhere Diskriminierung

Ebenfalls mit großer Mehrheit vertreten sind sie bei beruflichen Tätigkeiten unter einem Bruttomonatseinkommen von 2.500 Euro und damit unter der magischen Grenze für die Armutsrente im Jahr 2030. Dies gilt besonders für Tätigkeiten im Einzelhandel, in Gaststätten, Erziehung, Pflege und anderen personenbezogenen Dienstleistungen. So liegt das mittlere Einkommen für Frauen um 27 Prozent unter dem der Männer – mit einer noch höheren Diskriminierung sogar in frauentypischen Wirtschaftsbereichen wie Handel und Gastgewerbe.

Bild: dpa
Ursula Engelen-Kefer

war bis 2006 stellvertretende DGB-Vorsitzende, bis 2009 Mitglied im SPD-Vorstand und lange Jahre im Vorstand der Deutschen Rentenversicherung. Heute ist sie in der Selbstverwaltung der Bundesagentur für Arbeit tätig.

Daher sind Armutsrenten für sie vorprogrammiert, wenn das Rentenniveau weiter von jetzt 51 Prozent auf 43 Prozent bis 2030 absinkt. Frauen sind auch bei den Witwenrenten benachteiligt, da auch die Rentenleistungen für Männer erheblich zurückgehen. Bis heute ist es nicht möglich, für Frauen in Partnerschaften ausreichende eigene Rentenansprüche aufzubauen.

Ein besonders hohes Armutsrisiko haben daher nicht nur alleine lebende Frauen mit und ohne Kinder, sondern auch diejenigen in familiären Gemeinschaften – auch, wenn die Paarbeziehung im Alter hält und Kindererziehungs- sowie Pflegeleistungen bei den Renten angerechnet werden.

SPD in schwieriger Gefechtslage

Bei dem jetzigen Renten-Poker ist die Opposition aus SPD und Grünen in einer besonders schwierigen Gefechtslage. Mit den Hartz-Gesetzen sowie der Riester-Rentenreform von 2001 hat die damalige rot-grüne Bundesregierung zwar wesentliche Weichen für das neue deutsche Beschäftigungswunder und damit auch die erheblichen Überschüsse bei den Sozialversicherungen gestellt. Dafür müssen Millionen Menschen aber einen bitteren Preis zahlen: langanhaltende Arbeitslosigkeit, unanständig niedrige Löhne, Renten und wachsende Armut.

Deshalb kommt es für die SPD mit Blick auf die Bundestagswahlen 2013 darauf an, die gravierenden Schwachstellen bei den Arbeitsmarkt- und Rentenreformen offen anzupacken – auch wenn laut Umfragen noch keine Koalitionskonstellation in Sicht ist, mit der sich eine andere Rentenpolitik umsetzen ließe.

Gerade für Frauen wäre es eine erhebliche Verbesserung, wenn endlich ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro durchgesetzt und weiter angehoben wird. Vor allem aber muss die SPD das politische Tabu der unsäglichen 7,4 Millionen geringfügigen Arbeitsverhältnisse brechen – eine wesentliche Ursache für Armut trotz Arbeit jetzt und im Alter – und die milliardenschweren Ausfälle bei den Beiträgen auch für die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung.

Rentenschere tariflich schließen

Einen derartigen massiven Kombilohnsektor mit staatlicher Subventionierung der Wirtschaft bei Löhnen und Sozialversicherungsbeiträgen zulasten der betroffenen Menschen gibt es in keinem weiteren vergleichbaren EU-Mitgliedsland. Auch die Gewerkschaften sind gefordert, die sich weiter öffnende Lohnschere zulasten der Frauen über alle Wirtschafts- und Berufsbereiche in der Tarif- und Betriebspolitik zu schließen.

In der Rentenversicherung muss der weitere Abfall der Rentenleistungen aufgehalten sowie der bisherige möglichst rückgängig gemacht werden. Dazu müssen vor allem die Einkommensausfälle infolge der ausufernden Niedriglöhne ausgeglichen und die 1992 ausgelaufene Rente nach Mindesteinkommen wieder eingeführt werden. Dabei wurden Geringverdiener bei der Rente so bewertet, als hätten sie 75 Prozent des Durchschnittsentgelts aller Versicherten erhalten.

Darüber hinaus sollten die eigenen erworbenen Rentenansprüche bei der ergänzenden Grundsicherung zumindest teilweise nicht angerechnet werden. Durch ausreichende Freibeträge könnten die Rentenansprüche bis zu 850 Euro ansteigen. Dies wäre die bei Weitem bessere Alternative zur Zuschussrente von der Leyens. Auch die Rente mit 67 und die damit verbundenen weiteren Rentenkürzungen müssen ausgesetzt werden.

Genügend Spielräume

Ein zweischneidiges Schwert gerade für Frauen ist die von der SPD geplante Stärkung der betrieblichen Alterssicherung. Diese war bereits ein Bestandteil der Riesterreform. Mit Ausnahme des öffentlichen Dienstes haben aber nur wenige Frauen Zugang zu betrieblichen Altersrenten; ihre Ansprüche sind zudem erheblich niedriger als die der Männer.

Ob die Einführung einer obligatorischen betrieblichen Altersversorgung für die Frauen zu einer Verbesserung führt, hängt maßgeblich von den Bedingungen ihrer Ausgestaltung ab. Ein Patentrezept zur Bekämpfung von Niedrigrenten und Altersarmut für Frauen ist dies nicht. Auch die betriebliche Altersversorgung gerät in den Sog der Finanzkrisen und wird in den nächsten Jahren eher gefährdet. Keinesfalls darf der Ausfall von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen die Spielräume der gesetzlichen Altersversorgung weiter einengen.

Wenig überzeugend ist das ständige Argument, derartige Verbesserungen seien nicht zu finanzieren. Die Überschüsse in der Rentenversicherung von derzeit 28 Milliarden Euro bieten genügend Spielräume. Die SPD ist gefordert, die auf Initiative der Bundesarbeitsministerin vom Bundeskabinett beschlossene Absenkung der Beiträge von 19,6 auf 19,0 Prozent zu verhindern. Und noch immer ist die Einführung einer Erwerbstätigenversicherung überfällig, also die Einbeziehung von Beamten und Selbstständigen in die gesetzliche Rente – und damit die Erweiterung der Rentensolidarität.

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12 Kommentare

 / 
  • A
    Arbeiterkind

    @Markus

    @Arbeitertochter

     

    D'accord: das Problem der Klassenunterschiede sehe ich auch als vorrangig an.

     

    Aber solange eine gelernte Verkäuferin gerade mal die Hälfte von dem verdient, was bspw. ein ausgebildeter Handwerker einstreicht, haben wir es hier sehr wohl auch mit einer Genderproblematik zu tun. Wieviele Männer saßen denn bei Schlecker an der Kasse und haben die Drogieremärkte für einen Hungerlohn geschmissen?

  • G
    Gerda

    Diese 23 % !

     

    Wenn doch endlich die Bewertung der Arbeitsleistungen von Frauen ebenso hoch bewertet werden würden wie die Arbeitsleistungen von Männern!

     

    Diese 23 % Unterschied! Dieser große Unterschied zwischen Frauen und Männern! Warum? Warum immer noch diese gesellschaftliche Sichtweise bei der Bewertung von Sein und Nichtsein von Frauen? Wie lange noch?

     

    Aus Gleichberechtigung werde endlich

    G l e i c h w e r t i g k e i t !!!

  • G
    Grundschullehrer

    "Spieglein, Spieglein, an der Wand/

    wer ist das größte Opfer im ganzen Land?/

    Es sind die Frauen,/

    sie stehen am Rand,/

    am Rand des Spielplatzes/

    in Prenzlauer Berg,/

    sie trinken Latte und beobachten Jörg,/

    er spielt ganz in rosa,/

    so soll es sein,/

    mit Strickzeug und Barbie/

    statt Fußballverein.

     

    Noch 5000 Jahre muss das so gehen,/

    sonst wird man keine Veränderung sehen./

    Scheiß Evolution, was fällt dir ein,/

    du bist schon so lang da -

    und das Gender-Budget: ist klein.

     

    So schließt sich der Kreis,/

    seht alle her,/

    ein neuer Beruf:

    Profi-Opfer.

  • K
    Kurt

    Selbst bei einen Mindestlohn von mehr als 10€ werden sehr viele Frauen, die zu Teilzeitarbeit gezwungen sind, weil die Branchen sich die Flexibilität erhalten wollen, spaeter in die Armutsrente kommen.

    Beispiel Aldi und Lidl:

    Dort werden zu ueber 90% mit Teilzeit beschäftigt.

    Obendrein werden die Mitarbeiter gezwungen keine Nebenverdienste zu haben, damit die Flexibilitaet erhalten bleibt.

    Es tritt dadurch ein doppelter negativer Effekt auf. Der Arbeitgeber hat die Vorteile aber die Gesellschaft und der Arbeitnehmer nur Nachteile.

    Denn es werden nur Teile an die Sozialkassen (Krankenversicherung und Pflegeversicherung) gezahlt aber Leistungen werden bezogen, als ob mit Vollbeschäftigung eingezahlt wurde.

    Es musste so sein, wenn ein Arbeitgeber ueberwiegend Teilzeitkraefte beschaeftigt, dann muss erst den Ausgleich in voller Hoehe an die Sozialkassen zahlen.

  • M
    Metrop

    Und wenn die Geburtenstarken Jahrgänge ab in Rente gehe2030 in Rente gehen ist a. kein Geld mehr da (wer soll das auch einzahlen) und b. die Inflation durch den Ankauf von Staatsleihen der EZB so hoch das es nichts mehr Wert ist. Wenn ich nochmal ins Berufsleben starten könnte würde ich mich aus diesem System verabschieden.

     

    Andreas 1964 geboren, seit 1979 Beitragszahler der bis 2031 arbeiten muß. Sind dann 52 Beitragsjahre.

  • LC
    Lara Croft

    Ein Mindestlohn von 8,50 würde nicht reichen. Das hat Ottmar Schreiner (SPD) seit langem vorgerechnet. Selbst wer 40 Jahre Arbeit hätte zu einem solchen Mindestlohn käme nur auf eine Rente in Höhe der lächerlich geringen Grundsicherung von 688 Euro.

     

    Ein Mindestlohn von 10 Euro pro Stunde ist Minimum.

    Außerdem müsste diese ganze rot-grüne Arbeitsmarkt-Deregulierungspolitik wieder abgescgafft werden. Die Agenda 2010 hat Leiharbeit, Minijobs und ienen riesigen Niedriglohnsektor in Deutschland etabliert. natürlich führt das zu Armutsrenten.

     

    Frauen sind besonders schlimm betroffen.

     

    Bei der herrsschenden prekären Beschäftigung auch u.a. bei AkademikerInnen, die immer wieder von Arbeitslosigkeit getroffen werden, ist kaum eine Rente erreichbar von der (vor allem) frau leben kann.

     

    Ich bin für eine steuerfinazierte Grundrente wie in Holland. In Holland erhält die jeder gebürtige Holländer und jede gebürtige Holländerin, unabhängig davon wieviel oder wie wenig jemand einzahlen konnte.

     

    Die PolitikerInnen haben den Arbeitsmarkt dermaßen dereguliert und unsozial gestaltet, dass das System einfach völlig anders organsiert werden muss.

     

    Aus Gründen der Menschenwürde steht jedem menschen in Deutschland eine bedingungslose Grundrente im Alter zu, von der man leben kann!

     

    Anstatt die vielen hunderte Milliarden Euro Steuergelder an die Banken zu verschenken, die mit ihrer verantwortungslosen Spekuliererei die Finanzkrise losgetreten haben, sollten sich die PolitikerInnen lieber um die jetzigen und die künftigen RentnerInnen in Deutschland kümmern, damit diese ihr Essen nicht vom Müll zusammen klauben müssen.

     

    Einen Mindestlohn von 10 Euro und die Rücknahem der unsozialen rot-grünen Agenda 2010 und der rot-grünen Armuts-Hartz-IV- Gesetze brauchen wir trotzdem umgehend!

  • A
    Arbeitertochter

    @Markus

     

    Danke !

    nicht nur mit Genderthemen wird geherrscht und geteilt

     

    z.bsp Alt versus Jung, Familie versus Single/Kinderlos/Alleinerziehend/Gleichgeschlechtlich, Berufstätige (fleißig) versus Arbeitslose (Bildungsferne, sozial Schwache), Beamten versus Angestellte, Deutsche versus Migranten.....

     

    Wir befinden uns in einem von Eliten geschürten Verteilungskampf.

     

    Es wird Zeit mit Zivilcourage dagegen vorzugehen.

  • H
    Hupe

    Solange das Volk weiter ausgebeutet wird, ändert sich gar nichts.

     

    Solange das Geld den Leuten weg genommen wird, damit es die weltweiten Finanzmärkte flutet und dort auf perverseste Weise weiter gespielt wird, ändert sich gar nichts.

     

    Guter Artikel, der vieles auf den Punkt bringt.

     

    Das Problem ist allerdings das fehlende gemeinsame Ziel.

    So lange Geld die Welt regiert, geht es nicht um Menschenrechte.

     

    Es geht um die Macht und darum, dass fast niemand kapiert, wie unsinnig es ist, Geld die Welt regieren zu lassen.

     

    Es ist dumm und unzivilisiert.

  • M
    Markus

    Es nervt mich unendlich, daß jedes Thema - in diesem Fall Altersarmut - sofort auf eine Genderproblematik zurückgeführt wird.

    Merkt denn keiner, daß hier über eine "Divide and Conquer"-Strategie verschleiert wird, daß die wahre Trennlinie gar nicht zwischen Mann und Frau, sondern zwischen Reich und Arm ist.

  • F
    Frauenzentriert

    ALtersarmut ist WEIBLICH, FRAUENquote etcetc...

     

    Wann kommt denn mal ein Artikel über die Mehrzahl der wirklich armen Menschen: den Obdachlosen?

     

    Achso, die sind ja überwiegend MÄNNLICH und somit kein Klientel der taz.

  • EW
    Eva Willig

    Wenn die ehemalige DGB-Frau genauso vehement sich für die Anhebung des Schonvermögens im SGB XII n das des SGB II einsetzen würde, wären wir einen gewaltigen Schritt weiter. Oder wenn sie dafür plädieren würde, dass für Erwerbslose wieder in die RV einbezahlt würde. Oder dafür, dass die Anrechnungszeiten aus mit staatlich gedumpten Löhnen bezahlten ABM-Stellen als tariflich entlohnt nachträglich eingestuft werden würden. Oder wenn Erwerbslosenzeiten doppelt so viel Rentenpunkte bekämen, wie bislang. oder, oder, oder...

    Warum bezieht sie in ihre Finanzierungsvorschläge nicht die versicherungsfremden Leistungen der RV mit ein?

  • W
    Weber

    Gerade Frau, die aufgrund der familiären Situation mehrere Jahre zuhause blieben und dann Teilzeit gearbeitet haben ist die Zuschussrente nicht realisierbar. Grundvoraussetzung ist u.a. dass die Frauen privat vorgesorgt haben. Wer konnte das mit einem Minijob??

    Also ist das alles wohl nur Schaumschlägerei.