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Debatte WirtschaftskriseWas wollen wir vom Staat?

Kommentar von Petra Dobner

Die Mehrheit der Bundesbürger fordert jetzt, die Schlüsselindustrien zu verstaatlichen. Das Problem dabei: Sie glaubt nicht, dass die Politik die Wirtschaftskrise beheben kann

PETRA DOBNER

hat sich in den Politikwissenschaften habilitiert. Ihre Schwerpunkte liegen bei der Staats-und Demokratietheorie. Derzeit vertritt sie die Professur für Regierungslehre an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.

Da hat man über Jahrzehnte der Verstaatlichung jedwede Absage erteilt, die man einer gesellschaftlichen Vision nur zukommen lassen kann. Dem Staat wurde nicht nur jegliche Wirtschaftskompetenz abgesprochen, sondern zunehmend auch die politische Gestaltungsfähigkeit bestritten. Doch gerade erleben wir die Wiederentdeckung des Staates und der Verstaatlichungsidee in einem atemberaubenden Gestus der Selbstverständlichkeit.

Noch 2007 hatte die Bundeskanzlerin in einem Interview mit dem Handelsblatt gefordert, dass der Staat innerhalb der EU weniger Einfluss auf die Wirtschaft nehmen solle. Nun verlangt sie so kämpferisch wie naiv auf der Website der Bundesregierung, dass es weltweit keine unkontrollierten Märkte, Marktteilnehmer und Produkte mehr geben dürfe. Selbst die Ultima Ratio einer Verstaatlichung schließt sie nicht länger aus.

Verstaatlichung ist möglich, kein Zweifel. Artikel 15 des Grundgesetzes eröffnet unter der Überschrift "Sozialisierung" die Möglichkeit, "Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft" zu überführen. Jedoch war Artikel 15 niemals als Instrument einer umfassenden Vergesellschaftung von Produktionsmitteln gedacht, geschweige denn als ein Mittel, den Kapitalismus zum Sozialismus zu transformieren. Nach Auffassung des Parlamentarischen Rates sollte er lediglich die Möglichkeit schaffen, Kohle- oder Energieunternehmen in Rechtsformen zu überführen, die unter beherrschendem Einfluss des Bundes stehen.

Genau jener Artikel 15 offenbart den wirtschaftlichen Grundkonsens der frühen Bundesrepublik. Die 1946 im Ahlener Programm dokumentierte, kurzzeitig aufflammende Sozialisierungslust der nordrhein-westfälischen CDU zähmte Adenauer alsbald durch das Programm der sozialen Marktwirtschaft. Die SPD brauchte noch einen Moment der Besinnung und schlechte Wahlergebnisse, bevor auch sie 1959 ihrem Godesberger Programm das Bekenntnis zu freiem Wettbewerb und Unternehmertum als Grundlagen sozialdemokratischer Wirtschaftspolitik einschrieb.

Die dazwischenliegenden Jahre nutzte die CDU, um mit den erfolgreich stigmatisierten Begriffen "Sozialisierung" und "Verstaatlichung" der SPD weitreichende Enteignungsabsichten zu unterstellen. Die SPD ihrerseits reformulierte in semantischen Rückzugsgefechten ihre Sozialisierungsideen als "Gemeineigentum" und "öffentliche Kontrolle". Die fortschreitende Überführung von Produktionsmitteln in das Volkseigentum der DDR tat das Übrige, um ernsthafte Sozialisierungsideen im Westen zu diskreditieren.

Trotz mangelnder Vergesellschaftungsvorhaben war Artikel 15 weder überflüssig noch wertlos. Bemerkenswerterweise fand er seinen Einsatz insbesondere bei der rechtlichen Absicherung des gegenteiligen Projektes, der Privatisierung. So urteilte das Bundesverfassungsgericht bereits 1961 in einer Klage gegen die Privatisierung von Volkswagen, dass Artikel 15 eine Sozialisierung zwar ermögliche, aber nicht erzwinge. Weil das Grundgesetz keine Wirtschaftsform vorschreibe, stünde auch einer Privatisierung nichts im Wege. Die Organe des Bundes seien lediglich verpflichtet, bei einer Veräußerung staatlichen Vermögens einen angemessenen Preis anzustreben. Diese Festlegung ist weich genug, um die Veräußerung von Tafelsilber auch in schlechten Marktzeiten zu ermöglichen. Alles in allem mutierte Artikel 15 so unter der Hand von einem Sozialisierungs- zu einem Privatisierungsartikel. Bis die Finanzkrise kam.

Hier fängt das eigentliche Wunder an. Beim schnellen Umlernen stehen die Bundesbürger ihrer Kanzlerin in nichts nach. Im September dieses Jahres wollten noch 68 Prozent der Bundesbürger alle marktlichen Möglichkeiten nutzen und einen schlechten Service von Dienstleistern mit einem Anbieterwechsel quittieren. Einen Monat später sind laut infratest dimap 67 Prozent der Bundesbürger für eine Teil- oder Vollverstaatlichung der Banken. Forsa hat herausgefunden, dass 77 Prozent der Bundesbürger die Energiewirtschaft, 60 Prozent die Fluglinien, Bahn und Post, 40 Prozent die Landwirtschaft und auch die Telekommunikation verstaatlichen wollen. Und ein gutes Viertel der Bundesbürger möchte auch seine Autos lieber von einem Staatskonzern kaufen. Von einem eigenen Staatskonzern, wohlgemerkt, denn in dieser Umfrage geht es um die Frage, ob man es für sinnvoll halte, die heimische Industrie durch Verstaatlichung dem Zugriff ausländischer Investoren zu entziehen.

Damit soll das wiederentdeckte Instrument der Verstaatlichung gleich zwei Heuschrecken in die Flucht treiben: den ausländischen Investor und den deutschen (Bank-)Manager, der es mit seiner Bereicherungswut ein wenig zu weit getrieben und uns diese böse Krise beschert hat. Die weitestreichende Hoffnung zielt darauf, gleich der eigentlichen Brutstätte aller Heuschrecken, dem Neoliberalismus, den Garaus zu machen.

Auf welch tönernen Füßen die neue Staatsgläubigkeit indessen steht, beweist eine weitere Untersuchung: 56 Prozent der Bundesbürger sind nämlich der Ansicht, dass die Regierung die aktuelle Rezession gar nicht beheben kann. Wie aber soll der Staat uns retten, wenn die Regierung es nicht richten kann?

In puncto Unausgegorenheit steht nun wieder die Regierung der Bevölkerung nicht nach. Weder Konsumgutscheine noch gigantische Bürgschaften zeugen von einem tragfähigen Verstaatlichungskonzept. Sie spiegeln lediglich den enormen Vertrauensverlust und die Panik. Und zeigen, dass die Krise nicht nur Chancen birgt, wie die Kanzlerin gern betont, sondern vor allem erst mal eine Krise ist. Was Verstaatlichung genau heißt, bleibt so unklar wie Erbsensuppe.

Und wer schließlich in diesem Wort die Verheißung sehen möchte, dass der Kampf gegen den Neoliberalismus schon fast gewonnen sei, der muss sich fragen lassen, wie man auf diese Idee kommen kann. Neoliberalismus ist nicht nur Deregulierung, gegen die sich der neue Regulierer Staat nun im Handstreich durchsetzen könnte, selbst wenn er wollte, was noch dahingestellt ist. Mehr noch ist die neoliberale "Hilf dir selbst, sonst hilft dir keiner"-Logik von der Wiege bis zur Bahre in die Handlungslogiken der Individuen eingeschrieben worden; hieran würde auch die Verstaatlichung von Opel nichts ändern.

Was also heißt Verstaatlichung? Im Moment nicht mehr, als dass der Staat nun retten soll, was der Markt vergeigt hat. Dies kann nicht überraschen. Das war nämlich immer so, wenn der Markt versagte. Ein wenig rufen reicht also nicht: Wenn die Chance der Krise wirklich genutzt werden soll, dann dadurch, das allseits ambivalente Verhältnis zum Staat gründlich zu überdenken. Den brauchen wir nämlich nicht nur dann, wenn der Markt gerade mal wieder versagt.

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1 Kommentar

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  • HW
    Heinz Willy Mainz

    Bad Wildungen, Fürstengalerie. 06.12.08.

    Teegut im 21. Jahrhundert: Diebstahlprophylaxe Großgeschrieben

    Nikolaus 2008

    Zufällig wurde ich heute Zeuge des Einkaufes einer Teegut – Mitarbeiterin in ihrer Filiale, Fürstengalerie, Bad Wildungen. Nicht nur, dass sie den Kassenzettel aufbewahren muss, nein, die Kassiererin muss auf dieser Zigarettenschachtel handschriftlich mit Unterschrift den Kauf bestätigen. Auf Nachfrage bekomme ich von der Zigarettenkäuferin sehr freundlich mit strahlendem Lächeln zur Antwort, dass jeder Mitarbeitereinkauf in dieser Art zu geschehen habe. Sie finde dass Vorgehen ihres Arbeitgebers: Voll In Ordnung! Es gäbe ja so viele schwarze Schafe!“

    Als Mitarbeiter von Teegut würde ich bei den Mitbewerbern, zumindest meine Lebensmittel einkaufen, ich mag keinen handsignierten Gänsebraten essen, besser noch die Kochwurst aus der Hand von Inge, Ilse oder Benjamin, Thorsten, etc., da kann der Mitarbeiterrabatt noch so hoch sein. Ach, all Ihr lieben, tollen, super freundlichen, gutausgebildeten Mitarbeiter dieser Kette, die ihr aufgrund der Lage mit zum eigenen Familieneinkommen beizutragen habt, ich werde Euch sehr vermissen. Wann lasst ihr die Implantation des Mircochipscanners zu, nur um nicht in Versuch kommen zu wollen, den Arbeitsplatz zu verlieren. Wir sind kein Volk von Lügnern und Betrügern, wir sind nicht alle Banker, persönliche Vermögensberater und Consorten. Originalton des Börsenbankpräsidenten im Philosophenclub: zdf, Sonntags nach Mitternacht, Zitat: “…… mh…. Die (seine Bankerkollegen) haben sich verzockt!…ja…verzockt …..äääh….verspekuliert…eehhh …. Verspekuliert…. .eh….hmmm…. Spekulation ist schließlich der Motor der Wirtschaft!….“ (speculari: sehen, hier: heruntergebrochen: was werden wir irgendwann konsumieren, wie läuft es dann mit der Logistik, Schabernack, Kaffeesatz lesen, Zocke halt!) und das über mehrere Jahre, 1997 wusste das angeblich schon ein Bankier, aber der Respekt geht mir leider verloren; Laiendiagnose: Spielsucht. Der Mensch ist nicht mathematisch, Gott sei Dank, er ist nicht auf eine Formel reduzierbar. Das wollen uns die Statistiker dauernd beweisen und die Spekulanten glauben an die Statistiken und leben ihre eigene Seifenblase und verkaufen dies saugut, da muss doch auch Potential für Gutes vorhanden sein . Immer wieder das gleiche offensichtlich falsche Verhalten zu zeigen, gleicht dem Verhalten von Dauerbesuchern von Spielbanken (Wo ein Teil der Herren Dauergast ist), Spielotheken und artverwandten Lokalitäten. Spielsucht ist ein Krankheitsbild!

    Ich habe noch keinen Spekulanten beim Einräumen eines Gemüseregals gesehen, geschweige denn an der Kasse, seine Kasse hat andere Dimensionen.

    Liebe Mitbewohner in Deutschland, liebe Weltbürger, wir sind nur lästiges Volk, das schweigsam zu arbeiten hat, konsumieren soll und das komplett überwacht werden muss.

     

    „Herr Schäuble, Herr Kohl, Herr Schmidt, was für eine Saat haben Sie gesät?“

     

    Lieber Dr. Wolfgang Schäuble, sie sind einer der Oberhüter unseres Grundgesetzes. Wer hat so was überhaupt gewählt. In meinem nicht kleinen Bekanntenkreis, kein Einziger. Obwohl die Saat der Angst schon sehr gut aufgegangen ist. Die Gewalt nimmt Oberhand, die Gegengewalt rüstet auf; Bildung, nee was brauchen wir ein gebildetes Volk. Bitte nicht zuviel davon; die gucken hin! Der Terminator nimmt Formen an.

     

    Was passiert hier mit unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung? Was denken sich die aktuellen Verwalter unseres Grundgesetzes dabei?

    Man stelle sich vor, wir Kunden werden auch noch so behandelt. Herr Schäuble, reden sie doch mal mit Teegut bezüglich der Felderprobung ihres Nacktscanners, der Betriebsrat bekommt seine Mitarbeiter schon auf seine Seite. Gibt es denn einen Betriebsrat bei Teegut? Unserem hessischen Datenschutzbeauftragten fällt doch schon auf, dass wir 70% überschüssige Überwachung über uns ergehen lassen müssen. Was hat der arme Kerl denn für Mittel in der Hand, um diesen Wahnsinn abzurüsten, der Aufbau hat doch schon Steuermittel verschleudert. Grobe Fahrlässigkeit ist bei jeder Versicherung ein Haftungsausschlussgrund. Was sagt unsere Legislative? Wo bleibt die Staatsanwaltschaft? „Herr Hessischer Innenminister Bouffier, haben Sie soviel Angst vor ihren Mitmenschen / Uns? Auch vor ihren Beamten?“

    „ Ätsch“, die Geschäftsführung von Teegut und deren Sicherheitsberater (mit 3 bis x-mal höherem Verkäufergehalt) sind sich anscheinend sicher, nur potentiell kriminelle Mitarbeiter eingestellt zu haben. Bekommt die Lebensmittelkette dafür Unterstützung vom Justizministerium in Form finanzielle Förderung zur Integration von Strafgefangenen? Was ist das für einen Personalleiter, der bewusst nur Kriminelle einstellt. Als Boss würde ich den sofort feuern oder arbeiten Kriminelle noch Kosten-/Nutzen-günstiger als Arbeitskräfte ohne kriminellen Hintergrund bei gleichen Umsatzzahlen? Dann braucht der dringend eine Sonderzuwendung!

    Lieb Vaterland magst ruhig sein

    Der zornige Nikolaus

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    Heinz Willy Mainz

    Bad Wildungen